Liebes-Lied (4143)

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Vermissen

Ein halbes Jahr nun schon ohne Dich!
Dennoch, einmal im Monat trifft es mich
und ich vermisse Dich kläglich.

Doch als es mich noch in Deinem Leben gab
und ich Dir mein Leben gegeben hab’,
vermisste ich Dich täglich unsäglich.

Wenn es gut läuft, vermisse ich Dich
irgendwann nur noch einmal im Jahr.
Diesen Tag streiche ich mir im Kalender an
und bin dann ganz einfach nicht da.

6. Juli 2021 // © Antje Münch-Lieblang

Wilma will es noch wissen

Wilma | (c) Antje Münch-Lieblang

Das ist Wilma! Ist sie nicht schön?

Wilma ist ein Mercedes Hymermobil 307 D, Baujahr 1978 und somit genauso alt, wie ich – knackige 43 Jahre. Verrückt oder? Und es kommt noch viel verrückter, denn Wilma gehört mir! Was aber das Verrückteste an all dem Verrückten ist, ist die Geschichte, wie Wilma und ich trotz Umweg zueinander gefunden haben.

Kennst Du das? Du weißt etwas, ohne zu wissen, warum Du es weißt? Und ich meine nicht vermuten oder ahnen, sondern wirklich wissen, ganz tief im Inneren, so sicher, als sei es bereits irgendwo in Stein gemeißelt. Sowas ist mir im Laufe meines Lebens schon sehr oft passiert, so oft, dass ich mich eigentlich gar nicht mehr darüber wundern dürfte, tue es aber dennoch immer wieder. Und so war das auch bei Wilma und unserer bemerkenswerten Geschichte.

Ich begegnete Wilma zum ersten Mal am 30. Mai, einem Sonntag. Ich sah die Fotos, las die Anzeige und wusste einfach, das ist mein Wohnmobil, meine Wilma. Ich war verliebt, auf den allerersten Blick!

Die Anzeige war vom Vormittag und wider meiner täglichen Gewohnheit, mehrmals am Tag den Markt nach Wohnmobilen abzugrasen, kam ich an diesem Tag erst gegen Abend dazu. Ich rechnete also nicht damit, der erste Interessent zu sein, aber zumindest dachte ich, es besteht die Möglichkeit, mir Wilma wenigstens mal live anzusehen und möglicherweise mit ins Rennen zu gehen. Ohne lange zu überlegen, schrieb ich ihre Besitzer an, die mir ungefähr zwei Stunden später mit Bedauern antworteten, dass sie mit so vielen Anfragen gar nicht gerechnet haben und Wilma soeben leider verkauft worden ist.

Ich konnte es nicht fassen, war tieftraurig und auch völlig irritiert. Wie konnte das sein, wo ich mir doch so sicher war, dass Wilma und ich zusammengehören? Aber würden wir wirklich zusammengehören, wäre Wilma jetzt nicht das Wohnmobil von jemand anderem. Konnte ich mich so getäuscht haben? Es erschien mir, als sei irgendeine natürliche Gesetzmäßigkeit plötzlich außer Kraft geraten.

Stell Dir vor, Du hast einen Apfel in der Hand, lässt ihn einfach los und erwartest, dass er zu Boden fällt, weil das schon immer so war und Du ja auch gelernt hast, dass das so sein muss. Der Apfel fliegt aber stattdessen an die Decke. So war das in dem Moment, als ich las, dass Wilma für mich verloren ist.

Ich fand mich damit ab. Was sollte ich auch tun? Dennoch ließ mich Wilma nicht mehr wirklich los. Ich behielt sie auf der Favoritenliste, weil der Zugriff auf die Anzeige dann weiterhin möglich ist, obwohl sie offiziell nicht mehr erscheint. So konnte ich mir wenigstens noch die Fotos von Wilma ansehen und sie war zumindest auf diese Weise noch da.

Die Suche nach einem geeigneten Gefährt ging weiter, wenn auch eher halbherzig, immer mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass ich etwas Vergleichbares niemals finden würde, denn bei Wilma stimmte einfach alles. Als hätte ich meine Vorstellungen von einem Wohnmobil beschrieben und jemand hätte eines nach diesen Vorstellungen geschaffen und obendrauf noch ein wenig verbessert.

Ich suchte irgendwann auch gar nicht mehr nach dieser Art von Wohnmobil, weil es kaum vorkam, in erreichbarer Nähe überhaupt eines zu finden, welches annährend in Frage kam. Ende Juni entschied ich mich dann, Wilma aus meinen Favoriten zu löschen. Du musst sie mal loslassen, sagte ich mir. Das ist doch Quatsch, so an einem Fahrzeug zu hängen, dass Du nicht haben kannst. Ich sah mir noch ein letzten Mal die Fotos an und tat es.

Vor knapp einer Woche, genauer gesagt letzten Dienstag, hatte ich wieder so einen Tag, wo ich sehr exzessiv auf Wohnmobilsuche gegangen bin. Mir ging das alles zu langsam und ich wollte die Sache voran bringen. Es gab immer Wohnmobile, die in Frage gekommen wären, aber ich konnte mich nie wirklich durchringen, Kontakt zu den Besitzern aufzunehmen. Keines der Fahrzeuge sprach mich irgendwie besonders an. Das eine hatte dies, was mir nicht gefiel, dem anderen fehlte das, was ich gerne gehabt hätte. So ging das Tag für Tag, Woche um Woche. Am Dienstag fragte ich mich, ob ich mich mit diesem Verhalten vielleicht bewusst selbst boykottiere, nur um diesem großen Schritt, der mit dem Kauf eines Wohnmobils einhergehen soll, zu vermeiden. Bin ich mir überhaupt noch sicher? Ist es wirklich das, was ich will? Um mir selbst zu beweisen, dass ich mir sicher bin, vereinbarte ich einen Besichtigungstermin für den nächsten Tag in der Nähe. Zwar wieder nur ein stinknormales Nullachtfünfzehn-Fahrzeug, aber es machte immerhin einen guten Eindruck. Außerdem war es letztendlich doch an mir, aus einem unscheinbaren Wohnmobil einen kleinen Traum zu zaubern, redete ich mir gut zu.

Zum Spaß suchte ich an diesem Tag auch mal wieder nach alten Hymermobilen, was ich seit fast einem Monat nicht mehr getan hatte. Ich erweiterte denn Suchradius auf 500 Kilometer, weil ich keine ernsten Absichten verfolgte, sondern einfach nur mal gucken wollte. Daraufhin sah ich einen kleinen, recht günstigen Hymer in Köln, an dem noch einiges gemacht hätte werden müssen, der aber auch nicht vollkommen übel war. Ich schrieb spontan den Besitzer an. Köln ist keine Weltreise und gucken kostet ja nichts, dachte ich mir. Und was ich auch dachte war: Das Wohnmobil ist zwar ganz niedlich, aber es ist eben nicht Wilma. Und dann sagte ich zu mir, nicht im stillen, sondern wirklich hörbar, weil ich das Bedürfnis hatte, diese Worte laut auzusprechen: Wenn Wilma wirklich zu Dir gehört, kommt sie wieder auf den Markt und wird zu Dir finden. Ich belächelte mich selbst, weil mir die Möglichkeit, Wilma könne nach so kurzer Zeit wieder zum Verkauf angeboten werden, einerseits zwar möglich, aber andererseits völlig absurd erschien.

Am Abend gab ich wiederholt dem Impuls nach, alte Hymermobile zu suchen. Plötzlich stieß ich auf eine neue Anzeige, die es am Vormittag noch nicht gegeben hatte – augenscheinlich ein richtiges Schmuckstück und das auch noch ganz in der Nähe. Neugierig begann ich den Anzeigentext zu lesen, bevor ich mir die weiteren Fotos ansah, und was ich dann las, traf mich wie ein Blitz: „Wir möchten unser erst kürzlich erworbenes Wohnmobil wieder verkaufen, da sich für uns eine andere Tür geöffnet hat und wir uns nun entscheiden mussten! Hier geht es um Wilma…“

Ungläubig las ich weiter. Ein Zufall? Ich sah mir die anderen Fotos an und obwohl ich sie schon längt wiedererkannt hatte, traute ich meinen eigenen Augen nicht. Ich hatte Gänsehaut, mir brach augenblicklich der Schweiß aus, meine Hände zitterten und mein Herz schlug, als wollte es mir aus der Brust springen. Zwei Mal setzte ich an, Kontakt aufzunehmen, löschte den Text aber wieder. Das konnte einfach nicht wahr sein! Soll ich, soll ich nicht? Was soll ich überhaupt schreiben? Beim dritten Anlauf, bekam ich es dann endlich hin. Ich erzählte einfach die ganze Geschichte, egal für wie bekloppt mich der Mensch auf der anderen Seite auch halten mochte, und fragte, ob es sich womöglich tatsächlich um „meine“ Wilma handeln könnte.

Den restlichen Abend war ich zu nichts mehr zu gebrauchen. Ich konnte mir dann doch relativ schnell selbst glaubhaft machen, dass es wirklich die selbe Wilma ist, weil ich vergessen hatte, den Nachrichtenverlauf mit Wilmas alten Besitzern zu löschen und so doch noch auf die Fotos der damaligen Anzeige zugreifen konnte. Ich war unfassbar nervös und wünsche mir nichts sehnlicher, als eine kurze Bestätigung, dass Wilma noch da ist, obwohl ich mir im Grunde sicher war, dass es dieses Mal klappen würde. Wilma ist dein, sagte mir eine innere Stimme. Sie war es schon immer, dein Gefühl hat dich niemals betrogen, und jetzt ist es endlich so weit – Wilma wird dir gehören! Das wiederum machte mich noch nervöser, weil mir klar wurde, dass das der Startschuss für den Beginn eines neuen Lebensabschnitts sein wird. Wenn Wilma mir gehört, gibt es nur noch den Weg nach vorne, dann folgen auf die vielen Worte der letzten drei Monate die dazugehörigen Taten und alles, was sich zuvor noch als Idee in meinem Kopf befunden hat, wird Realität. So großartig, so beängstigend!

Ich sah minütlich auf mein Handy und fragte mich schon, wie ich überhaupt schlafen soll, wenn ich nicht zumindest erfahre, ob Wilma noch da ist. So sicher, wie ich mir der Sache war, so unsicher war ich mir aber auch immer wieder. Sehr spät am Abend antwortete mir dann doch noch Wilmas aktuelle Besitzerin, weil sie das Gefühl hatte, wie sie mir später sagte, dass sie mich so nicht in die Nacht gehen lassen kann, da sie sich denken konnte, wie es mir gerade geht.

Wir schrieben dann am nächsten Vormittag weiter und machten einen Besichtigungstermin für Samstag aus. Erst Samstag? Es war gerade mal Mittwoch. Die Zeit bis Samstag erschien mir wie eine unüberbrückbare Ewigkeit. Zwei Tage bekam ich kaum feste Nahrung runter, so sehr war ich durch den Wind. Immer wieder sah ich mir die Fotos vom Wilma an und war einfach nur fassungslos über die ganze Geschichte. Ich konnte einfach nicht glauben, dass das hier gerade alles wirklich passiert.

Samstagfrüh ging es dann los, eine Stunde Autofahrt standen zwischen Wilma und mir. Eine Stunde und ich würde sie wirklich sehen, nicht nur auf einem Foto im Internet, sondern ganz in echt. Ich war völlig überdreht. Anett kann ein Liedchen davon singen und war insgeheim sicher ganz froh, als wir heile den Zielort erreichten.

Und dann sah ich sie endlich von Angesicht zu Angesicht. Wilma stand rückwärts in der Einfahrt, ich völlig neben der Spur vor ihrer wunderschönen Front und kämpfte mit den Tränen. Ich sah sie einfach nur an und ich glaube, sie sah mich auch an. Glücklicherweise waren wir fast zwanzig Minuten zu früh dran und ich hatte noch Zeit, mich wieder zu sammeln.

Wilmas aktuelle Besitzer begrüßten uns freundlich. Wir beschnupperten uns kurz und dann ging es auch schon los, ich konnte mir Wilma auch von Innen ansehen. Hach, was soll ich sagen? Ich fand Wilma umwerfend! Deswegen warf ich mich auch als nächstes direkt zu Boden und sah sie mir von unten an. Top! Die Probefahrt war aufregend, hatte ich so ein großes Fahrzeug bisher nicht gefahren. Doch ich kam wunderbar mit Wilma zurecht und je länger wir unterwegs waren, desto besser klappte es zwischen uns beiden. Es hat wahnsinnigen Spaß gemacht, Wilma zu fahren! Das Gefühl ist mit einem normalen PKW einfach nicht zu vergleichen.

Ich wollte Wilma, nach wie vor! Wilmas Besitzer baten uns herein, wir machten es uns alle bei Wasser und Kaffee auf der Terrasse bequem und haben uns erstmal sehr lange unterhalten. Natürlich war ich neugierig, was das denn für eine Tür ist, die sich da geöffnet hat, sodass sie bereit sind, sich von Wilma wieder zu trennen. Wilma war auch ihr Traum und es war im Gespräch deutlich zu spüren, dass es ihnen sehr schwer fällt, sie wieder abzugeben. Sie erzählten, dass sie sich völlig ungeplant in ein Häuschen im Süden verliebt haben und mussten sich entscheiden – das Haus oder Wilma.

Und als ob die ganze Geschichte nicht schon wundervoll genug gewesen wäre, haben die Zwei noch eins drauf gesetzt, denn sie wollten von mir nur den Betrag, den sie vor einem Monat selbst für Wilma bezahlt haben und dieser Betrag lag deutlich unter dem von ihnen in der Anzeige angegeben Kaufpreis. Ich wäre ohne Weiteres bereit gewesen, den ausgeschriebenen Kaufpreis zu zahlen, doch die Beiden haben von sich aus gesagt, dass sie das nicht wollen, weil sie sich nicht an jemandem bereichern möchten, der ihnen sympathisch ist und bei dem sie das Gefühl haben, Wilma sei in guten Händen. Ist das nicht unglaublich? Und das trotz Tankfüllung und einiger neuer Bücher zum Thema Campen mit dem Wohnmobil, die sie extra bestellt hatten und nun mir dazugaben. Wahre Herzensmenschen! Natürlich hatte ich direkt wieder Tränen in den Augen, weil mich das alles so sehr berührte.

Ich ließ mir dann noch das eine oder andere erklären, wir erledigten den Papierkram, schraubten die Nummernschilder ab, damit ich Wilma auf meinen Namen anmelden kann, und nach zweieinhalb Stunden schafften wir dann endlich mal den Absprung. Bevor wir zum Auto gingen, verabschiedete ich mich noch schnell von Wilma und versprach ihr, bald wieder zu kommen.
Ich glaube, das war für alle gestern verdammt aufregend, wenn für mich wohl noch am aufregendsten. Anett musste uns nach Hause fahren, weil ich noch weniger in der Lage war, ein Auto unfallfrei zu steuern, als schon auf der Hinfahrt.

Ich bin ganz froh, dass heute Sonntag ist und ich nach dieser aufregenden Woche noch einen Tag durchpusten kann. Morgen werde ich mich dann um die nächsten Schritte kümmern. Währenddessen wartet Wilma sicher ungeduldig darauf, dass ich sie abhole, aber die paar Tage überstehen wir jetzt auch noch. Wilma hat es ja gut, wo sie jetzt ist. Soll sie sich ruhig noch ein wenig entspannen, bevor unser wildes Leben beginnt.

Mehr von Wilma und mir findet Du übrigens mittlerweile unter @wortwaerts auf Instagram oder bald auch auf www.wortwaertsmitwilma.de!

Karl der Großherzige

Heute möchte ich über Karl schreiben, weil ich finde, dass er hier auch eine Seite braucht. Schließlich ist er ja ein Teil unserer literarischen Dreifaltigkeit. Karl selbst kriegt das irgendwie nicht hin. Überhaupt lässt seine virtuelle Präsenz allgemein etwas zu wünschen übrig. Er hat wohl gerade alle Hände voll zu tun, weil seine Schäfchen etwas aus dem Ruder gelaufen sind. Tja, Augen auf bei der Berufswahl, sage ich immer!

Karl Lebowski ist mein bester Freund und das schon gefühlt mein ganzes Leben lang. Vermutlich schon das Leben davor. Nein, ganz sicher schon das Leben davor! Und wahrscheinlich auch das Leben vor dem Leben davor.

Lebenspraktisch könnten wir gegensätzlicher wohl kaum sein. Er, ruhig und bedacht, strebsam und aufopfernd. Ich, ein ewiges egozentrisches Wollknäuel, unlösbar in sich selbst verstrickt, immer mit dem Kopf gegen die Wand, zwei Schritte vor und einen zurück. Karl nennt das übrigens immer meinen persönlichen Tanzschritt.

Karl wird immer irgendwie von einem hellen Schein umgeben. Ich dagegen habe bereits Patina. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, Karl ist der kleine Bruder von Jesus, den die Geschichte irgendwie unterschlagen hat. Wären wir Hemden, wäre er das gebügelte und ich das zerknautschte. Er ist eine Mischung aus Obi-Wan-Kenobi und C3PO und ich bin eher so Lando Calrissian trifft Jar Jar Binks. Oder für die, die mit Star Wars nichts anfangen können – es soll tatsächlich solche Menschen geben, auch wenn ich das kaum glauben kann – Karl ist eher so Winnetou und ich bin mehr Old Shatterhand. Der alte Mann und das Meer, Robin Hood und Will Scarlett, Meister Eder und sein Pumuckl, Weißwein und Bier, Kartoffelgratin und Pommes, …
Ok ok, ich hör‘ ja schon auf!

Karl weiß unglaublich viele Dinge und ist ein toller Lehrer. Und auch wenn ich oft so tue, als sei ich vollkommen genervt von seiner Klugscheißerei (ok, manchmal bin ich es wirklich) und der Tatsache, dass er mir immer nur eine Hand voll Krümel hinwirft und mich dann auf die Suche nach dem ganzen Brot gehen lässt, statt es mir direkt in belegten Scheiben zu servieren, bin ich ihm unendlich dankbar, weil ich ohne ihn nicht der Mensch wäre, der ich heute bin. Nie hat er sich über mich gestellt und das würde er auch niemals tun, obwohl er meist über allem zu stehen scheint. Ich bin es manchmal selbst, der seinen eigentlichen Wert verkennt. Und dann taucht Karl auf, wie aus dem Nichts, und zeigt mir, was in mir steckt. Und manchmal, aber wirklich nur sehr selten, lässt er mich einen kurzen Blick auf den Menschen werfen, der ich irgendwann sein werde, weil er mich besser kennt, als ich mich selbst.

Bei uns ging es aber auch nicht immer nur tiefgründig zu. Manchmal waren wir auch ganz schön abgründig, was man gar nicht glauben mag, wenn man Karl so kennt. Muss mein positiver Einfluss gewesen sein. Keine Ahnung, wie viele biergeschwängerte und grasverrauchte Nächte wir uns schon um die Ohren geschlagen haben. Ich gebe zu, in den letzten Jahren sind wir in dieser Beziehung zunehmend bequemer geworden, was auch keine Schande ist. Ich erinnere mich gerne an die gute alte Zeit, aber sie fehlt mir auch nicht. Nicht mehr. Muss an zunehmender Altersweisheit liegen oder so.
Am nächsten Tag auf dem eigenen Teppich aufzuwachen hat einfach zu viele Vorteile, die ich hier jetzt nicht im einzelnen erläutern möchte. Das bringt mich nur vom eigentlichen Thema ab.

Karl nervt mich immer damit, ich solle mal ein Buch über uns schreiben, dabei ist meines Erachtens er der Schriftsteller von uns beiden. Er ist so der Typ John Irving küsst Éric-Emmanuel Schmitt, was ich ausgesprochen charmant finde, während ich eher so schreibe, als hätten Bukowski und Rosamunde Pilcher nach einer durchsoffenen Nacht ein strubbeliges Katzenbaby gezeugt.

Ich verzettle mich schon wieder. Auch so eine Sache in der wir total verschieden sind. Karl hätte sich mehr auf das Wesentliche konzentriert und die Dinge auf den Punkt gebracht. Lehrer eben.

Was gibt es noch von Karl zu sagen? Karl ist der, der alle zu lieben scheint. Er hat für alles und jeden Verständnis, als sei er unfähig die dunklen Facetten des menschlichen Daseins zu sehen. Vielleicht misst er ihnen aber auch nur nicht so viel Bedeutung bei, im Gegensatz zu uns. Karl ist unglaublich humorvoll und kann auch über sich selbst lachen. Er ist ehrlich, weise, liebevoll, verlässlich, niemals nachtragend, aber manchmal sehr direkt. Ab und an ist er etwas langweilig und oldschool, aber das macht seinen persönlichen Charme aus. Karl liebt die Natur, vom höchsten Berg bis zum kleinsten und lästigsten Insekt, und ich glaube, die Natur liebt ihn in tausendfacher Intensität zurück. Zumindest wirkt es auf mich immer so. Er hätte auch eine wundervolle, stattliche alte Eiche abgegeben – Schattenspender, Nistplatz und Ruhepol.

Danke, Karl, dass Du meine Eiche bist und ich mich immer an Dich lehnen kann, wenn mir der Halt fehlt, um aufrecht zu stehen! Und bevor ich jetzt noch richtig sentimental werde, höre ich lieber auf. Soll ja niemand wissen, dass ich gar nicht so ein harter Hund bin, wie ich immer vorgebe zu sein.

Wäre Karl jetzt übrigens hier, würde er sagen, was er immer sagt, wenn ich ihm für irgendetwas danke:

»Dank nicht mir, Rocko, dank dir selbst!«

Karl ist mein bester Freund und das schon gefühlt mein ganzes Leben lang. Vermutlich noch das Leben danach. Nein, ganz sicher noch das Leben danach! Und wahrscheinlich auch das Leben nach dem Leben danach.