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Halbzehn

Samstag. Die Sonne scheint und die ersten Rasenmäher dröhnen. In der Küche klappert die Frau Mama mit allen ihr zu Verfügung stehenden Schüsseln und sonstigen Mitteln. Sie macht Kuchen, denn am Sonntag kommt Besuch. Der Herr Papa liegt noch im Bett, ich im Wohnzimmer auf der Matratze.

Wenn die Frau Mama uns noch etwas Schlaf gönnt, macht sie immer alle Türen zu. Die Tür zum Schlafzimmer, die Tür zum Wohnzimmer und auch die Tür zur Küche, in der sie sich dann möglichst leise bewegt. Hat die Frau Mama so wie heute allerdings beschlossen, dass wir genug geschlafen haben und sie nicht die einzige sein will, die sich im Haushalt nützlich macht, stehen sämtliche Türen auf und in der Küche wird gescheppert, was das Zeug hält. Die Rollos werden zwischendurch hochgerupft und gegen mögliche Lärmresistenz der sich noch in der Horizontalen befindlichen Anwesenden, wird immer wieder ins Zimmer gelaufen und zum Aufstehen angepfiffen. Da hilft es auch nicht viel, wenn man sich die Decke über den Kopf zieht. Irgendwann hat sie einen auf die Füße genervt.

Es ist eben selten, wenn wir mal alle zeitgleich an einem Tag frei haben und zu Hause sind. Das muss genutzt werden. Nach der ersten Ladung Wäsche und der morgendlichen Hunderunde, gab’s erstmal Frühstück und dann durfte ich mich über den Berg aus dreckigem Geschirr vom Vortag her machen, den die Frau Mama zusätzlich mit ihren Backutensilien aufgepeppt hatte. Das sieht dann immer ein bißchen aus, wie der Turmbau zu Babel, nur ohne Turm, aber mit genügend Material, einen bauen zu können, um den lieben Gott auch noch aus dem Bett zu schmeißen.

Währenddessen machten sich die Frau Mama und der Herr Papa, sowie die Frau Großmama über unseren kleinen Apfelbaum im Garten her. Der Herr Papa hatte nicht wirklich Lust dazu, was man daran erkennen konnte, dass er in jedem Satz mindestens dreimal das Wort »Scheiße« mit »das geht so nicht« kombinierte. Meine Schwester, Malerin von Beruf, lackierte alldieweil die Rahmen der Türen und Fenster und war sichtlich genervt, weil ständig jemand durch die Balkontür rein oder raus wollte. Die Hundefelle waren verwirrt und wussten gar nicht, an wen sie sich nun bei diesem geschäftigen Treiben halten sollten. Nach Beseitigung des Spülberges kletterte ich dann auch noch in den Apfelbaum und die Frau Mama schien zufrieden, weil sie uns alle ans Arbeiten bekommen hatte.

Familienleben eben.

Siebeneinhalb

Es gibt Dinge, die ändern sich nie. Zum Beispiel meckernde Mütter. Da kann man dreißig Jahre alt werden, behandelt wird man trotzdem sein ganzes Leben lang wie siebeneinhalb.

Glücklicherweise gibt es aber auch Dinge, die sich ändern. Schien die Mutter früher noch unfehlbar zu sein, frei nach dem Motto ‚Mama hat immer recht, auch wenn sie nicht recht hat!‘, steigt man mit zunehmendem Alter irgendwann dahinter, dass das nicht so ist.

Da sitze ich so vor dem Fernseher, die Füße auf dem Wohnzimmertisch, um die Füße meine Hausschuhe, darunter ein weißes Sofakissen, denn man mag es ja gerne warm und bequem. Es dauert natürlich keine zwei Minuten, da kommt die Frau Mama und meckert, während sie mir den Hausschuh vom rechten Fuß zupft: „Musst Du mit den dreckigen Schuhen auf das helle Kissen!?!“

Das Ende vom Lied war dann natürlich ein verschmutztes Sofakissen. Schuld daran war allerdings die Frau Mama höchstselbst. Hat abends beim Fernsehen Schokolade verzehrt und diese in das Kissen geschmiert.

Hach ja, … das sind die schönen Momente des Älterwerdens. Mit siebeneinhalb wäre ich nämlich um diese Uhrzeit schon längst im Bett gewesen.

Paralleluniversum

Da saß ich nun… draußen vor dem Café, trank meinen Milchkaffee und sah der Zeit dabei zu, wie sie in ihren schweren Stiefeln auf der Stelle trat. So, wie sie es scheinbar die letzten neun Jahre getan hatte, denn es schien sich kaum etwas verändert zu haben.

Der charmante Philosoph, der mir einst von Sokrates, Platon und Aristoteles erzählte. Die kleine Buchhändlerin mit der großen Persönlichkeit. Der Gitarrist mit seinem markanten Aussehen, der zusammen mit seinem Gitarrenkoffer immer an der selben Haltestelle einstieg. Und Horst der schüchterne Imbissbudenbesitzer, bei dem wir früher in unseren Freistunden die ein oder andere Portion Pommes zu uns nahmen. Sie und noch einige andere bekannte Gesichter sah ich heute, als wären neun Jahre nichts anderes als ein Blick nach Vorgestern.

Die Stadt, diese alternde Diva, sie wollte mir stur glauben machen, dass ich gar nicht wirklich weg war und löschte so für einige Stunden einfach ein Drittel meines Lebens aus.