Monat: Januar 2019

Mit gelben Säcken meine ich keine Chinesen

Seit zehn Jahren habe ich jetzt schon ein Profil auf der wohl bekanntesten aller Onlineseuchen des Worldwidewebs und weil ich eine Geisel meiner Internetsucht bin, kann ich es auch nicht lassen, mich dort und in einer Vielzahl anderer sozialer Netzwerke herumzutreiben, und das, obwohl mich die Mentalität der meisten Menschen dort regelmäßig abfuckt.

Es gibt doch für jede Stadt und jedes noch so unbekannte Kaff diese „Du bist…, wenn…“-Gruppen. Kennt Ihr sicher. Und wenn nicht, entgeht Euch, neben wenigen nützlichen Informationen, wie zum Beispiel dem Suchen und Finden diverser Haustiere, nichts. Es sei denn, Ihr steht auf Verschwendung von Lebenszeit und eine schnell chronisch werdende Form von ausgewachsener Hirnschmelze.

Der Stadtteil, in dem ich wohne, nennen wir ihn hier mal liebevoll das Dorf, hat auch so eine Gruppe. Und ja, ich bin da drin. Vermutlich, weil ich eine sadomasochistische Veranlagung habe und es unbewusst mag, wenn mein Hirn schmilzt. Anders kann ich mir das nicht erklären.

Und gestern war es dann wieder soweit. Die Uschi (Name von der Redaktion geändert) sorgt sich um das Wohl der Allgemeinheit, weil ein Mann schon zwei Wochen auf einem Parkplatz in seinem PKW, genauer gesagt einem Transit, kampiert und der laut Uschi seinen Müll in die Gegend schmeißt und in den nahegelegenen Park pinkelt. Der Mann, nicht der Transit.

Ich muss mir unweigerlich vorstellen, wie die Uschi versucht, sich im Park hinter kahlen Büschen und Bäumen zu verstecken, um den Mann dabei zu ertappen, wie er sein Geschlechtsteil aus der Hose in die winterliche Kälte zerrt, weil er verständlicherweise nicht in sein Auto urinieren möchte.

Uschis weltbewegende Informationen bleiben natürlich nicht lange ungelesen, was die Uschi ja auch gar nicht will, und es dauerte keine dreißig Sekunden bis jemand schreibt, was ich denke, nämlich, wo zum Henker das Problem sei?

Uschi wiederholt das bereits Geschriebene fast eins zu eins und man kann ihr Unverständnis über das Unverständnis förmlich schmecken. Dass der seinen Müll da entsorgt und in den Park pinkelt, findet die Uschi eben nicht gut. Das Wohnen im PKW auch nicht. „Da muss mal das Ordnungsamt vorbei!“, meint Uschi.

Wenn was im Argen sei, wäre das Ordnungsamt schon längst aktiv geworden, meint eines der Oppositionsmitglieder. Der Müll sei nämlich nicht von ihm, der sei von den Jugendlichen oder so, die sich da so gelegentlich herumtreiben. Daraufhin melden sich Hundebesitzer zu Wort und teilen mit, zu welchen Uhrzeiten sie ihn beim Gassigehen dort haben stehen sehen und wann nicht. Er sei ein Netter und er tue doch niemandem etwas, indem er in seinem Auto wohne, schreibt jemand, der offensichtlich bereits persönlichen Kontakt hatte.

„Noch nicht!“, denkt die Uschi bestimmt, schreibt es aber nicht. Doch ich kann es fühlen, dass sie das denkt. Wer auf einem Parkplatz in seinem Auto lebt, frisst nämlich kleine Kinder und wärmt sich mit deren Großmüttern den nackten Hintern. Ich kann quasi denken, wie die Uschi denkt. Wie so ein Profiler in amerikanischen Psychothrillern.

Aber weiter im Stück: Als nächstes wird vom größten Dorfquerulanten aus der Gruppe relativ neutral angemerkt, dass das ja sowieso ein Parkplatz für Wohnmobile sei und diskutiert, ob und wie lange er dann da stehen dürfe. Und solange er den Wagen regelmäßig bewege, gehe das klar. Das Ordnungsamt kontrolliert bei sowas wohl den Reifenstand oder so ähnlich und sieht, wenn jemand länger steht, als erlaubt. Dann erst gibt es Ärger, vorher nicht.

Das ist mal eine nützliche Information, denke ich – für den Fall, dass mich meine Frau irgendwann wegen angeborener Faulheit aus dem Haus schmeißt und ich gezwungen bin mit dem Transit-Mann eine Siedlung zu gründen. Ich wundere mich ein wenig, dass der lauteste Brüllaffe dieser Gruppe bei diesem Thema so zahm bleibt und vermute, dass es eine Form von männlicher Rudelsolidarität sein muss.

Für Uschi geht das alles gar nicht klar. Schließlich handelt es sich nicht um ein Wohnmobil, sondern um einen PKW und da sei das nun mal VER-BO-TEN. Sie schreibt es nicht so wie ich, aber ich bin mir sicher, sie würde es so aussprechen. Und das scheint tatsächlich Uschis größtes Problem zu sein. Es ist verboten und deswegen darf es nicht sein. Der Uschi geht es ums Prinzip.

Verboten, tz. Ich finde ja, dass es verboten sein sollte, der Uschi eine virtuelle Möglichkeit zur freien Meinungsäußerung zu gewähren. Weil es aber verboten ist, der Uschi das zu verbieten, konnte ich mich zum ersten Mal nicht zusammenreißen und musste auch meinen Senf dazu geben, um der Uschi unterschwellig und intelligent zu vermitteln, wie doof ich sie finde.

„Vermutlich hat der auch die ganzen gelben Säcke im Dorf geklaut.“, schreibe ich in Ironisch. Das tue ich, weil unter anderem dieses Thema sämtliche Uschis und Uschimänner bereits mehrere Wochen bewegt. Ein anderes Top-Thema sind die neuen Rolltonnen, ebenso heiß diskutiert.

Die gelben Säcke hätten wir also abgehakt. Die Rolltonnenthematik kriege ich auch noch eingeschleust. Dann haben die alles, was gerade in ihrem langweiligen Leben für Abwechslung sorgt in einem einzigen Beitrag und können sich richtig austoben, ganz zu Schweigen von der möglichen Zeitersparnis, die ich ihnen damit biete. Tolle Idee oder?

Ich muss nicht lange auf die passende Vorlage warten. Uschi selbst schenkt mir zwar einen Daumenhoch, was mich annehmen lässt, dass sie kein Ironisch lesen kann, aber alsbald grätscht Uschis Co-Uschi in diesen ungewollt harmonischen Moment und meint, dass der Transit-Mann die gelben Säcke nicht geklaut haben könne, denn sonst würde er seinen Müll ja nicht in die Gegend werfen. Daraufhin stelle ich die Frage in den Raum, wo er denn sonst mit seinem Müll hin soll, die blöden Rolltonnen passen doch in keinen PKW.

Tusch!

Da besorgte Bürger in der Regel humorbefreit sind und mich höchstwahrscheinlich ebensowenig verstehen, wie ich sie, werde ich natürlich direkt richtig hart angezickt. Ich weine jetzt noch. Vielleicht ist es aber auch meine geschmolzene Hirnmasse, die mir aus den Augenwinkeln rinnt. Da bin ich mir gerade nicht so sicher.

Gedankt hat mir übrigens niemand für die geniale Symbiose sämtlicher Themen, die das Dorf bewegen, und als ich den Beitrag vorhin zu Recherchezwecken nochmal aufrufen wollte, war er nicht mehr da. Das ganze Unverständnis war der Uschi wohl zu blöd. Vielleicht war sie auch ein wenig enttäuscht, dass sich kein wütender Mob zusammenrotten wollte, um den Störenfried zu vertreiben. Schade, wo es mir doch gerade anfing Spaß zu machen.

Im Ernst, sollte mich irgendwann im Morgengrauen, wenn ich nach einer durchzechten Nacht den Weg nach Hause wieder nicht finde beim Joggen bin, so eine Uschi hinterrücks anfallen und beißen, weil sie vielleicht denkt, dass ich ihr die frisch ausgeteilten gelben Säcke klauen will, und ich dann durch den Uschibiss so walkingdeadmäßig selbst zu einer Uschi werde, die dann in irgendwelchen Gruppen ihr vor Unwichtigkeit maximal bis zum Ortsschild stinkendes Meinungswürstchen rausdrückt, während die große Welt langsam zu einem überdimensionalen Kackhaufen verkommt, dann erschießt mich bitte. Zur Not tut es auch ein Kantholz.

Ich bin übrigens gespannt, wann hier die erste Dame mit dem Namen Uschi schreibt und mich verbal steinigt, weil ich den Namen Uschi so verunglimpfe. An dem Namen Uschi habe ich absolut nichts auszusetzen, vielmehr am Uschisein und das kann man auch, wenn man Petra, Claudia oder Hans-Günther heißt. Uschi heißen ist voll in Ordnung, auch wenn es jetzt nicht der favorisierte Name für eines meiner zahlreichen nicht vorhandenen Kinder wäre. Ein Tier fällt mir jetzt spontan auch nicht ein, welches ich so nennen würde. Obwohl, bei so einer ausgewachsenen englischen Bulldogge wäre das schon irgendwie lustig, vor allem wenn es ein Rüde ist.

Tusch!

 

Verrückt! Schlicht und ergreifend verrückt.

Da habe ich über Jahre Tagebuch geschrieben, damals noch so richtig, mit Stift und auf Papier, als das Wort Bloggen vermutlich noch gar nicht existent war, und über diesen einen Tag, diesen einen Augenblick, der mir mein ganzes restliches Leben so wichtig geblieben ist, der mich gewissermaßen hat überleben lassen, über diesen Tag habe ich nie etwas geschrieben? Kann das wirklich sein? Es gab immer mal Tage und Monate der Schreibflaute. Kann es tatsächlich sein, dass ich die wichtigste Erinnerung in meinem Leben nur auf die Innenwände meiner Hirnrinde gekritzelt habe?

Ich fasse es nicht und glaube es auch nicht, aber nach zweifachem Durchblättern der Tagebücher aus dem möglichen Zeitraum, habe ich nur einen Hinweis auf dieses Ereignis gefunden, aber nicht das Ereignis selbst. Das schmeckt mir ebensowenig wie der billige Whiskey, den ich dachte zu brauchen, um mit dem fertig zu werden, was mir auf der Suche in diesem Teil meines Lebens begegnen würde.

Tatsächlich ist mir beim Überfliegen schon so Einiges begegnet und was fast genauso schlimm ist, wie der verschwundene Tag, ist die Tatsache, dass ich mich an manche Ereignisse, die ich schriftlich festgehalten habe, gar nicht mehr erinnern kann. Nein, es ist nicht fast genauso schlimm, es ist weitaus schlimmer. Ich habe Momente zwischen uns vergessen, die wunderbar und unglaublich waren, die mir wichtig waren, die mein Lebensglück waren, die alles für mich waren. Jetzt lese ich davon, schlucke und kämpfe mit den Tränen, weil alles so herzzerreißend ist, aber ganz im Gegensatz zu diesem einen Moment, der unvergeßlich bleibt und nie auf Papier konserviert wurde, sind manche der auf Papier konservierten Momente einfach aus meiner Erinnerung verschwunden.

Es ist, als lese ich die Geschichte eines Anderen.

Die Neujahrsrede: Kampf der Stagnität, Affe hin oder her – der Sack.

Heute habe ich in in alten Texten herumgestöbert und mich gefragt, warum ich sowas nicht mehr hinbekomme. Einfach aus dem Leben erzählen, aus dem Jetzt. Nicht so ein kryptisches Geschwurbel alle halbe Jahre, wie die letzten Male. Qualität statt Quantität ist ja gut und schön, aber das hier ist gerade eher Stagnität.

Ich bin die Königin der Stagnität, auch wenn ich lieber ein König geworden wäre, aber selbst mir ist das hier zu viel des Guten. Die Erde dreht sich schließlich weiter. Allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass sie sich wegen meiner Schwerfälligkeit minimal langsamer dreht, als sie es ohne mich tun würde.

Das neue Jahr ist erst vier Tage jung. Darüber gibt es nun wirklich noch nichts zu erzählen. Meine Frau besucht drei Tage ihren Onkel im wilden Osten. „Koks, Nutten und Schnaps!“, quiekt meine innere Drecksau. Ich weiß nicht, wie das Vieh darauf kommt, denn das haben wir noch nie gemacht, zumindest nicht alles und schon gar nicht gleichzeitig. Viel lieber genieße ich das Alleinsein, die Ruhe im Haus, dass ich tun und lassen kann, was ich will. Natürlich kann ich das immer, aber jetzt tue ich es wesentlich exzessiver und habe nichtmal ein schlechtes Gewissen dabei.

Gestern bin ich zum Beispiel den ganzen Tag in Schlafanzug und Bademantel herumgelaufen. So richtig lebowskimäßig. Ich habe am Schreibtisch gesessen bis ich ab der Hüfte abwärts kein Gefühl mehr hatte und sinnlos am Laptop rumgedaddelt bis mir das Blut regelrecht aus den Augen quoll, gelegentlich unterbrochen von Nahrungsaufnahme und den damit verbundenen Toilettengängen. Hätte ich am Abend nicht die Biotonne vor das Haus rollen müssen, hätte ich das selbige nicht verlassen und die frische Luft des morgendlichen Stoßlüftens wäre die einzige geblieben. Ich bin quasi gerade eben noch einer Hirnschädigung wegen übermäßigem Mangel an Sauerstoff entgangen. Heute das gleiche mit dem gelben Sack. Aber angezogen bin ich zumindest, also so richtig, inklusive sauberer Unterhose. Abwechslung muss schließlich sein. Gestaubsaugt habe ich heute übrigens auch. Doch nicht so stagnatiös, was? Nein, geradezu aktiv für meine momentanen Verhältnisse. Bäms! Da habe ich es der Stagnität aber gegeben.

Das neue Jahr hat also definitiv noch Potenzial, aber ich will es nicht gleich am Anfang überstrapazieren. Das letzte Jahr war wirklich ziemlich aktionsreich. Ich bin endlich meine chronische Magenschleimhautentzündung losgeworden, die sich über zwei Jahre sehr penetrant bemüht hat, mich wieder auf den richtigen Kurs zu bringen. Lange Geschichte, würde hier deutlich den Rahmen sprengen.

Reisefaul waren wir auch nicht gerade. Ein Kurztrip nach London, eine Woche in Dubrovnik und, das Highlight, Trommelwirbel, vier Wochen auf Bali. Verdammt viele Eindrücke, von denen zu viele schon längst wieder verblasst sind. Bali ist allerdings noch recht präsent. Ich weiß jetzt, wie es sich anfühlt, wenn die Erde bebt und die eigene Frau im Straßenverkehr verunfallt und bewußtlos auf selbiger liegt. Erdbeben beängstigend, aber dennoch faszinierend. Bewußtlose Frau liegend auf der Straße, der ab-so-lu-te Albtraum. Beide Erlebnisse haben sich irgendwo im Sonnengeflecht festgezeckt und da werden sie wohl auch noch eine Weile sitzen.

Es lebe die Auslandskrankenversicherung. Leute, schließt eine Auslandskrankenversicherung ab. Wir haben das auch nie für nötig gehalten, trotz der vielen Rumreiserei. Für Bali haben wir es dann gemacht und gut war das.

Bali war trotz alldem toll, trotz der Erdbeben und den damit verbundenen Ängsten, trotz des abartigen Straßenverkehrs in manchen Orten, des Unfalls und den damit verbundenen Unannehmlichkeiten, unbeschreiblich toll sogar – mit seinen wundervollen Ecken und Rundungen, den unglaublich herzlichen Menschen, der faszinierenden Kultur, dem für mich sehr angenehmen Klima, dem leckeren Essen, seiner Vielfältigkeit und unserem Glück im Unglück. Bali hatte im wahrsten Sinn seine Höhen und Tiefen und das nicht nur, weil ich bei Nacht auf einen Vulkan gestiegen bin, um mir den Sonnenaufgang anzusehen oder durch ein Schiffswrack getaucht bin. Die Erdbebenwelle hat einige unsere Pläne vereitelt. Wir wollten ursprünglich die Gilis bereisen und auch noch rüber nach Lombok, aber Lombok hatte es zu diesem Zeitpunkt bereits mehrfach auf den Kopf gedreht. Somit sind wir dann genau in die entgegengesetzte Richtung gefahren, auf der Flucht vor den Naturgewalten und ungewollt auch vor der Polizei, die uns nämlich gesucht hat. Kein angenehmes Gefühl. Sehr kuriose Geschichte, aber auch wieder zu lang, um sie hier weiter auszuführen. Ende gut, alles gut. Das muss reichen.

Der Norden Balis war zwar schön, aber auch langweilig. Für meine Frau mehr als mich, denn ich konnte wenigstens noch ins Wasser gehen, während sie es sich ab Mitte der Reise aufgrund ihrer Verletzungen nur noch ansehen durfte und ihr außer Essen, Lesen und mit dem Taschenmesser am Gipsverband sägen, nicht mehr viel blieb. Da nutzt das Bewusstsein, dass alles hätte schlimmer kommen können, auf die Dauer auch nichts. Verständlich. Überleben ist gut, leben ist besser.

Bali ist für mich noch lange nicht ausgereizt. Ich bin mir gar nicht sicher, ob sich Bali überhaupt ausreizen lässt. Sicher bin ich mir allerdings, dass ich in diesem Leben dort unbedingt nochmal hin muss. Übrigens gibt es dort verdammt viele Affen und es würde mich nicht wundern, wenn mein vermisster wilder Affe dort untergetaucht ist und vorbildlich der Vielweiberei frönt. Der alte Lümmel. Ich würde es ihm gönnen.

So, und wenn Ihr denkt, das war es jetzt… nee, war es noch nicht. Neben dem spektakulären Weltengebummel haben wir nämlich auch noch ein Haus gekauft. Wir sind quasi aus Indonesien gekommen, haben die Koffer ausgepackt, die Klamotten gewaschen und direkt wieder in Umzugskisten eingepackt. Ungünstiger ging es eigentlich kaum, aber da hat das Haus eben keine Rücksicht drauf genommen. Zack, da war es und wir verliebt. Sehr emotionale Tage waren das, denn wir waren ja nicht die Einzigen. Doch schon als ich das Haus in der Anzeige zum ersten Mal sah, wusste ich, dass es unser Haus ist. Als ich zum ersten Mal drin war, fühlte ich, dass dieses Haus unser neues zu Hause sein wird und so kam es dann auch. Der Urlaub stand bereits, das Haus stand schon viel länger. Turbulente Wochen, aber wir haben es hingekriegt.

Wochenlang haben wir renoviert, kaum einen Tag Pause gemacht. Im Nachhinein wundert es mich, das ich nicht irgendwann den Pinsel mit der Zahnbürste verwechselt habe oder im Blaumann zur Arbeit gefahren bin. Es war anstrengend, aber es hat mir auch extrem viel Spaß gemacht. Keine Spur von Stagnität. Fußleisten verlegen, Steckdosen und Lichtschalter austauschen, alles Neuland, aber ich habe es hingekriegt. Der Heimwerkerlöwe in mir wurde geweckt. Ok, die Fußleisten sehen nur auf den ersten Blick richtig gut aus, aber wer guckt da auch zweimal hin, niemand. Knapp einen Monat nach unserem Baliurlaub sind wir umgezogen. Zwei Tage später verstopfte die frisch gefüllte Toilette und der Morgenschiss kam aus den Abflüssen von Dusche und Badewanne wieder zum Vorschein. An einem Sonntag. Für Außenstehende schwer zu glauben, dass ich an diesem Tag richtig Spaß hatte. Na gut, für meine Frau war es auch schwer zu glauben und die war alles andere als außenstehend. Allerdings war sie auch nicht so mittendrin, wie ich es war. Wäre eine schöne Geschichte, würde aber auch wieder den Rahmen sprengen. Zwei Wochen später war dann übrigens die Einweihungsparty. Das soll uns mal einer nachmachen.

Tja, jetzt sind wir tatsächlich Hausbesitzer, so richtig spießig, mit Kirschbaum, Komposthaufen, Schneeschüppen und irgendwelche Tonnen rechtzeitig an die Straße rollen und all so ein Zeug. Kennt man ja. Unser Haus ist übrigens schon über hundert Jahre alt und wenn ein LKW vorbei fährt, wackelt es ein wenig. Und dieses Wackeln fühlt sich tatsächlich haargenau wie der Beginn eines Erdbebens an. Ein leichtes Schaukeln und Vibrieren, eigentlich ein sehr schönes Gefühl, sofern es dabei bleibt. Keine Ahnung, was sich das Haus dabei denkt. Vielleicht möchte es mein Erdbebentrauma heilen, wer weiß das schon. Es ist eben nicht nullachtfünfzehn, etwas krumm und schief, definitiv sehr elastisch und urgemütlich. Wir fühlen uns wohl, auch wenn es dann und wann schaukelt und vibriert. Wer uns zum ersten Mal besucht, wundert sich, weil es nicht so aussieht, als seien wir im Herbst letzten Jahres erst eingezogen. Natürlich gibt es noch hier und da etwas zu tun. Wahrscheinlich wird das auch immer so bleiben. Ein Haus ist eben ein Haus. Aber es macht Freude etwas für das Haus und somit auch für uns zu tun, zu sehen, wie sich Dinge entwickeln und alles noch schöner wird. Wir genießen es.

Das neue Jahr, nun ist es da. Kleiner Reim zum Ende. Meine Erwartungen an das neue Jahr sind nicht besonders groß. Ich möchte wieder etwas mehr auf mich achten, meiner Seele und meinem Körper Gutes tun. Durch die Renovierungsphase habe ich vieles Schleifen lassen und danach irgendwie den Absprung nicht geschafft. Zu viel Bierchen, zu viel Essen, keine Bewegung. Yoga oft geschwänzt. Dies und das und jenes. Der Winter, die dunkle Jahreszeit, tut sein Übriges. Zu viel Glühwein und Lebkuchen gegen die innere Kälte und das Abmagern der Seele. Ich bin wieder leicht vom Kurs abgekommen, innen wie außen. Innen mahnt mich mein Magen bereits ab, außen die viel zu eng anliegenden Kleidungsstücke. Man muss mich nicht mehr fällen, um die Jahresringe zu finden.

In diesem Sinne werde ich mich dieses Jahr wieder als Pilger auf den Jakobsweg begeben. Der Weg ruft, zieht und zerrt an meinem Innersten, wie eine alte Liebe, ohne die man nicht dauerhaft leben kann. Ich muss wieder los! Ursprünglich wollte ich wie beim letzten Mal die gesamten Sommerferien ausreizen, aber habe es mir anders überlegt. Etwas Sommer möchte ich auch im neuen Häuschen verbringen und den schönen Garten genießen. Deswegen wird es eine andere Strecke und ich bin vermutlich im Sommer nur drei Wochen weg.

Ein weiterer Vorsatz ist natürlich auch, hier wieder mehr zu schreiben. Guter Start, würde ich sagen. Heute war das Augenbluten wenigstens nicht vollkommen umsonst. Ich bin stolz auf mich! Ach ja, im Lotto gewinnen möchte ich übrigens auch noch, damit ich mir Stagnität leisten kann, wann, wie lange und wo immer ich möchte. Soviel zu den bisherigen Plänen für Zweitausendneunzehn. Neues Jahr, neues Glück.

Und Ihr so?