Schlagwort: der Menschenfeind

Mit gelben Säcken meine ich keine Chinesen

Seit zehn Jahren habe ich jetzt schon ein Profil auf der wohl bekanntesten aller Onlineseuchen des Worldwidewebs und weil ich eine Geisel meiner Internetsucht bin, kann ich es auch nicht lassen, mich dort und in einer Vielzahl anderer sozialer Netzwerke herumzutreiben, und das, obwohl mich die Mentalität der meisten Menschen dort regelmäßig abfuckt.

Es gibt doch für jede Stadt und jedes noch so unbekannte Kaff diese „Du bist…, wenn…“-Gruppen. Kennt Ihr sicher. Und wenn nicht, entgeht Euch, neben wenigen nützlichen Informationen, wie zum Beispiel dem Suchen und Finden diverser Haustiere, nichts. Es sei denn, Ihr steht auf Verschwendung von Lebenszeit und eine schnell chronisch werdende Form von ausgewachsener Hirnschmelze.

Der Stadtteil, in dem ich wohne, nennen wir ihn hier mal liebevoll das Dorf, hat auch so eine Gruppe. Und ja, ich bin da drin. Vermutlich, weil ich eine sadomasochistische Veranlagung habe und es unbewusst mag, wenn mein Hirn schmilzt. Anders kann ich mir das nicht erklären.

Und gestern war es dann wieder soweit. Die Uschi (Name von der Redaktion geändert) sorgt sich um das Wohl der Allgemeinheit, weil ein Mann schon zwei Wochen auf einem Parkplatz in seinem PKW, genauer gesagt einem Transit, kampiert und der laut Uschi seinen Müll in die Gegend schmeißt und in den nahegelegenen Park pinkelt. Der Mann, nicht der Transit.

Ich muss mir unweigerlich vorstellen, wie die Uschi versucht, sich im Park hinter kahlen Büschen und Bäumen zu verstecken, um den Mann dabei zu ertappen, wie er sein Geschlechtsteil aus der Hose in die winterliche Kälte zerrt, weil er verständlicherweise nicht in sein Auto urinieren möchte.

Uschis weltbewegende Informationen bleiben natürlich nicht lange ungelesen, was die Uschi ja auch gar nicht will, und es dauerte keine dreißig Sekunden bis jemand schreibt, was ich denke, nämlich, wo zum Henker das Problem sei?

Uschi wiederholt das bereits Geschriebene fast eins zu eins und man kann ihr Unverständnis über das Unverständnis förmlich schmecken. Dass der seinen Müll da entsorgt und in den Park pinkelt, findet die Uschi eben nicht gut. Das Wohnen im PKW auch nicht. „Da muss mal das Ordnungsamt vorbei!“, meint Uschi.

Wenn was im Argen sei, wäre das Ordnungsamt schon längst aktiv geworden, meint eines der Oppositionsmitglieder. Der Müll sei nämlich nicht von ihm, der sei von den Jugendlichen oder so, die sich da so gelegentlich herumtreiben. Daraufhin melden sich Hundebesitzer zu Wort und teilen mit, zu welchen Uhrzeiten sie ihn beim Gassigehen dort haben stehen sehen und wann nicht. Er sei ein Netter und er tue doch niemandem etwas, indem er in seinem Auto wohne, schreibt jemand, der offensichtlich bereits persönlichen Kontakt hatte.

„Noch nicht!“, denkt die Uschi bestimmt, schreibt es aber nicht. Doch ich kann es fühlen, dass sie das denkt. Wer auf einem Parkplatz in seinem Auto lebt, frisst nämlich kleine Kinder und wärmt sich mit deren Großmüttern den nackten Hintern. Ich kann quasi denken, wie die Uschi denkt. Wie so ein Profiler in amerikanischen Psychothrillern.

Aber weiter im Stück: Als nächstes wird vom größten Dorfquerulanten aus der Gruppe relativ neutral angemerkt, dass das ja sowieso ein Parkplatz für Wohnmobile sei und diskutiert, ob und wie lange er dann da stehen dürfe. Und solange er den Wagen regelmäßig bewege, gehe das klar. Das Ordnungsamt kontrolliert bei sowas wohl den Reifenstand oder so ähnlich und sieht, wenn jemand länger steht, als erlaubt. Dann erst gibt es Ärger, vorher nicht.

Das ist mal eine nützliche Information, denke ich – für den Fall, dass mich meine Frau irgendwann wegen angeborener Faulheit aus dem Haus schmeißt und ich gezwungen bin mit dem Transit-Mann eine Siedlung zu gründen. Ich wundere mich ein wenig, dass der lauteste Brüllaffe dieser Gruppe bei diesem Thema so zahm bleibt und vermute, dass es eine Form von männlicher Rudelsolidarität sein muss.

Für Uschi geht das alles gar nicht klar. Schließlich handelt es sich nicht um ein Wohnmobil, sondern um einen PKW und da sei das nun mal VER-BO-TEN. Sie schreibt es nicht so wie ich, aber ich bin mir sicher, sie würde es so aussprechen. Und das scheint tatsächlich Uschis größtes Problem zu sein. Es ist verboten und deswegen darf es nicht sein. Der Uschi geht es ums Prinzip.

Verboten, tz. Ich finde ja, dass es verboten sein sollte, der Uschi eine virtuelle Möglichkeit zur freien Meinungsäußerung zu gewähren. Weil es aber verboten ist, der Uschi das zu verbieten, konnte ich mich zum ersten Mal nicht zusammenreißen und musste auch meinen Senf dazu geben, um der Uschi unterschwellig und intelligent zu vermitteln, wie doof ich sie finde.

„Vermutlich hat der auch die ganzen gelben Säcke im Dorf geklaut.“, schreibe ich in Ironisch. Das tue ich, weil unter anderem dieses Thema sämtliche Uschis und Uschimänner bereits mehrere Wochen bewegt. Ein anderes Top-Thema sind die neuen Rolltonnen, ebenso heiß diskutiert.

Die gelben Säcke hätten wir also abgehakt. Die Rolltonnenthematik kriege ich auch noch eingeschleust. Dann haben die alles, was gerade in ihrem langweiligen Leben für Abwechslung sorgt in einem einzigen Beitrag und können sich richtig austoben, ganz zu Schweigen von der möglichen Zeitersparnis, die ich ihnen damit biete. Tolle Idee oder?

Ich muss nicht lange auf die passende Vorlage warten. Uschi selbst schenkt mir zwar einen Daumenhoch, was mich annehmen lässt, dass sie kein Ironisch lesen kann, aber alsbald grätscht Uschis Co-Uschi in diesen ungewollt harmonischen Moment und meint, dass der Transit-Mann die gelben Säcke nicht geklaut haben könne, denn sonst würde er seinen Müll ja nicht in die Gegend werfen. Daraufhin stelle ich die Frage in den Raum, wo er denn sonst mit seinem Müll hin soll, die blöden Rolltonnen passen doch in keinen PKW.

Tusch!

Da besorgte Bürger in der Regel humorbefreit sind und mich höchstwahrscheinlich ebensowenig verstehen, wie ich sie, werde ich natürlich direkt richtig hart angezickt. Ich weine jetzt noch. Vielleicht ist es aber auch meine geschmolzene Hirnmasse, die mir aus den Augenwinkeln rinnt. Da bin ich mir gerade nicht so sicher.

Gedankt hat mir übrigens niemand für die geniale Symbiose sämtlicher Themen, die das Dorf bewegen, und als ich den Beitrag vorhin zu Recherchezwecken nochmal aufrufen wollte, war er nicht mehr da. Das ganze Unverständnis war der Uschi wohl zu blöd. Vielleicht war sie auch ein wenig enttäuscht, dass sich kein wütender Mob zusammenrotten wollte, um den Störenfried zu vertreiben. Schade, wo es mir doch gerade anfing Spaß zu machen.

Im Ernst, sollte mich irgendwann im Morgengrauen, wenn ich nach einer durchzechten Nacht den Weg nach Hause wieder nicht finde beim Joggen bin, so eine Uschi hinterrücks anfallen und beißen, weil sie vielleicht denkt, dass ich ihr die frisch ausgeteilten gelben Säcke klauen will, und ich dann durch den Uschibiss so walkingdeadmäßig selbst zu einer Uschi werde, die dann in irgendwelchen Gruppen ihr vor Unwichtigkeit maximal bis zum Ortsschild stinkendes Meinungswürstchen rausdrückt, während die große Welt langsam zu einem überdimensionalen Kackhaufen verkommt, dann erschießt mich bitte. Zur Not tut es auch ein Kantholz.

Ich bin übrigens gespannt, wann hier die erste Dame mit dem Namen Uschi schreibt und mich verbal steinigt, weil ich den Namen Uschi so verunglimpfe. An dem Namen Uschi habe ich absolut nichts auszusetzen, vielmehr am Uschisein und das kann man auch, wenn man Petra, Claudia oder Hans-Günther heißt. Uschi heißen ist voll in Ordnung, auch wenn es jetzt nicht der favorisierte Name für eines meiner zahlreichen nicht vorhandenen Kinder wäre. Ein Tier fällt mir jetzt spontan auch nicht ein, welches ich so nennen würde. Obwohl, bei so einer ausgewachsenen englischen Bulldogge wäre das schon irgendwie lustig, vor allem wenn es ein Rüde ist.

Tusch!

 

Kakoschke rechnet ab: Kalter Kaffee und warmes Bier

So oder so ähnlich lässt sich mein Leben derzeit beschreiben. Für Außenstehende sicher schwer zu begreifen, aber ihr guckt mir auch nur vor den Kopf und der sieht rein äußerlich, abgesehen von ein paar entzündeten Pickeln, ja auch ganz in Ordnung aus. Es ist auch nicht wirklich schön, mir in den Kopf zu gucken. Glaubt mir, ich tue das täglich, jede Sekunde, und wünsche mir in jeder dieser Sekunden einen Knopf. Einen Knopf für den Kopf. Zack und aus.

Ich bin fast achtunddreißig Jahre alt, habe einen wunderbaren Menschen an meiner Seite, einen Job, der ganz in Ordnung ist und sich auch zufriedenstellend auszahlt, ein wunderschönes zu Hause, wenn auch in einer der, meiner Meinung nach, uncharmantesten Städte Deutschlands. Aber drauf geschissen, ich sollte glücklich sein. Bin ich aber nicht. Selten habe ich es geschafft den Zustand des Glücklichseins über einen längeren Zeitraum zu halten, denn letztendlich hat er gar nichts mit den äußeren Gegebenheiten zu tun.

Nicht, dass ich nicht gerne unglücklich wäre. Das bin ich sogar sehr gerne. Wenn mir so richtig hundeelend ist, wenn es so richtig, richtig schmerzt, merke ich überhaupt erst, dass ich da bin und wenn ich ehrlich bin, ziehe ich diesen Zustand dem Glücklichsein sogar noch vor, weil er weitaus mehr Potenzial hat, mich kreativ werden und etwas erschaffen lässt. Ein Lied, ein Gedicht, irgendetwas in der Art. Und etwas zu erschaffen, gibt mir das Gefühl, dass mein Leben einen Sinn hat und das macht mich dann irgendwie glücklich im Unglücklichsein. Verrückt, ich weiß.

Doch auch das ist momentan nicht der Fall. Ich bin weder in der Lage glücklich zu sein, noch bin ich zufriedenstellend unglücklich. Da ist nichts. Nur eine Mischung aus Leere, Gleichgültigkeit, Angst, dem Leben nicht ausreichend gerecht zu werden, und eine aus allem heraus resultierende Aggression, die mich gelegentlich mit dem Wunsch erfüllt, irgendjemandem so richtig auf die Fresse zu hauen.

Ich sollte vielleicht mal eine Couch aufsuchen, die sich nicht im eigenen Wohnzimmer befindet. Alternativ könnte ich es auch mit einer Kampfsportart versuchen. Reden ist ja eher nicht so meins. Ich habe vor Jahren mal eine Psychotherapie gemacht und den Großteil der Therapiestunden haben meine Therapeutin und ich uns angeschwiegen, weil Reden schon damals nicht meins war. Schreiben dagegen finde ich toll. Da habe ich Zeit, mir die Worte zu überlegen. Beim Reden ist eher Spontanität gefragt und daran mangelt es mir oft, was zum Beispiel dazu führt, dass ich Telefonieren abgrundtief hasse. Oder viel schlimmer, was mich daran hindert, Menschen so richtig gepflegt die Meinung zu sagen.

Wenn mich auf der Straße jemand blöd anmacht, kriege ich es allenfalls hin, ihn noch blöder anzumachen und das Niveau um einiges zu unterbieten, bevor mir vor lauter Fassungslosigkeit die Tränen kommen. Die richtig tollen Sachen, die intellektuellen Faustschläge quasi, fallen mir immer erst dann ein, wenn der Kohl schon längst gegessen ist. Und dann durchlebe ich das Szenario immer und immer wieder, mit den richtigen Worten. Und ohne zu heulen. Ich durchlebe teilweise noch Ereignisse dieser Art, die schon über zehn Jahre zurück liegen, weil ich einfach nicht darauf klar komme, wie ungerecht ich in meinen Augen behandelt worden bin und wie einfallslos ich darauf reagiert habe. Auch verrückt, ich weiß. Ich kann total leicht Brücken zu Menschen abbrechen, die mir auf den Sack gehen, ganz egal, wie wichtig sie mir mal waren, aber von solchen Situationen kann ich mich nur schwer lösen. Manchmal rede ich übrigens auch gar nicht mehr in diesen Szenarien, sondern bringe die Menschen einfach direkt um. Ungefährt so wie Patrick Bateman in American Psycho, mit verdammt viel Blut und verdammt viel Spaß. Nur in meiner Vorstellung natürlich. Macht es jetzt nur bedingt besser, ich weiß.

Ich lebe viel zu viel in der Vergangenheit, obwohl ich es doch eigentlich besser weiß. Ich weiß viele Dinge besser, aber oft schaffe ich es nicht, nach diesem Wissen zu handeln. Eine Eigenschaft, die mich bei anderen Menschen abgrundtief annervt. Der berühmte Spiegel, den einem das Leben vor die Nase hält. So ist das immer. Alles was dich bei anderen Menschen ankotzt ist fast immer eine übersteigerte Form dessen, was du an dir selbst nicht ausstehen kannst. Und übersteigert deswegen, weil du es sonst nicht bemerken und dich nicht damit auseinander setzen würdest.

Es gab mal Zeiten, da konnte ich jeden Menschen so sein lassen wie er ist. Da konnte ich über alles hinweg sehen, nichts hat mich gestört. Weder innerlich noch äußerlich. Wenn mir ein verdreckter, übel riechender Obdachloser in der U-Bahn seine angetrunkene Bierdose hingehalten hat, habe ich daraus getrunken, weil mich seine Freundlichkeit gerührt hat. Er war zwar äußerlich nicht ansehnlich, aber innerlich dafür um so mehr. Jetzt sehe ich nur noch mit den Augen in meinem Kopf und frage mich, zu welchem Zeitpunkt die Augen meiner Seele erblindet sind.

Wisst ihr, warum ich so auf Superhelden abfahre? Weil ich gerne einer wäre. In Geheimhaltung meiner wahren Identität bin ich jetzt schon spitzenmäßig. Mit einem Doppelleben dieser Art käme ich sicher auch klar. Zudem würde ich noch wesentlich besser aussehen, als ich es in den seltenen, vor Selbstbewusstsein strotzenden Phasen meines Lebens sowieso schon tue, wäre zudem auch noch furchtbar erfolgreich, könnte kämpfen, hätte die Kraft jemanden zu töten, aber die Stärke es nicht zu tun und stattdessen die Welt ein großes Stück besser zu machen. Edel und gerecht. Nebenbei würde ich noch reihenweise Frauenherzen brechen, während mein Herz nur einer gehört, die allerdings total in mein Superheldenego verknallt ist und mich im realen Leben völlig übersieht. Ich möchte allerdings kein Superheld mit Superkräften sein, sondern eher so einer, der einen Butler und den Arsch voll Kohle hat und sich mit gesellschaftlichen Normen lieber den Hintern abwischt, als sie zu praktizieren. So ein richtiger Antiheld eigentlich. Wenn ich es mir recht überlege, bin ich schon ziemlich nah dran. Mir fehlt eigentlich nur noch der Butler. Leider mag ich Menschen nur in sehr seltenen Ausnahmefällen. Ganz miese Vorraussetzungen für den Job als Superheld.

Ich bin übrigens nicht nur scheiße. Menschen in meinem näheren Umfeld mögen mich und behaupten, ich sei talentiert. Meine Frau liebt mich sogar. Ok, Charles Manson ist musikalisch und Adolf Hitler hat wirklich schöne Aquarelle gemalt. Eva Braun hat ihn vermutlich auch geliebt. Himmel hilf, wie komme ich aus der Nummer jetzt wieder raus? Vermutlich gar nicht mehr. Deswegen schreibe ich jetzt auch einfach weiter, als sei nichts gewesen. Ich kann viele tolle Sachen und ich spreche ausnahmsweise nicht davon Bierflaschen mit allen möglichen Gegenständen öffnen oder meinen Namen rülpsen zu können. Letzteres hätte sich nach meiner Heirat nächstes Jahr sowieso erledigt. Mit dem Doppelnamen sehe ich da nämlich schwarz. Nein, ich meine so richtige Talente. Ich mache Musik, schreibe neben misanthropischen Texten wie diesem auch Lieder und Gedichte, die in fremden Hirnen und auch Herzen tatsächlich Anklang finden. Meine Frau sagt, ich habe ein fotografisches Auge, einen Blick für gute Motive. Zum Kochen brauche ich keine Rezepte, weil ich die Gerichte bereits als Idee in meinem Kopf schmecken kann. Und als wäre das nicht schon genug, bringe ich Menschen sogar gelegentlich zum Lachen.

Klingt doch eigentlich gar nicht so übel. Leider reicht nichts von diesem ganzen Talentgedöns aus, um mehr Bedeutung zu erlangen als eine Sockenfluse im Sog des ablaufenden Badewassers. Dabei möchte ich dieser Welt so gerne etwas hinterlassen. Einen positiven Fußabdruck, der dem bereits vorhandenen und immer größer werdenden negativen Fußabdruck wenigstens etwas entgegenwirkt. Wir richten diese Welt tagtäglich zu Grunde und so sehr ich mich bemühe, meinen persönlichen Anteil daran möglichst gering zu halten, um besser schlafen zu können, ist er trotzdem noch zum verzweifeln groß, dieser negative Fußabdruck.

Also schlafe ich weiter beschissen. Was allerdings mehr daran liegt, dass der blasenschwache Hund zweimal in der Nacht zum Pinkeln in den Garten muss und ich zu viel Kaffee trinke, weil ich beschissen schlafe, was mich noch beschissener schlafen lässt, weil ich sehr empfindlich darauf reagiere. Im Grunde reicht schon ein regelmäßiger Kaffee am Morgen und ich bekomme Schlafstörungen. Momentan trinke ich bis zu fünf Tassen am Tag, und das, obwohl mir das Zeug oft gar nicht schmeckt. Das geht ab, sage ich euch. Jetzt gerade auch schon wieder. Kaum schrieb ich von Kaffee, bekam ich auch schon Lust darauf, einen zu trinken. Wieso ich Lust auf etwas haben kann, was mir nur bedingt schmeckt und mir auch absolut nicht gut tut, kann ich gar nicht so genau sagen. Das wäre eigentlich so, als würde ich mir ständig bewusst mit dem Hammer auf die Hand hauen, obwohl ich weiß, dass es weh tut. Ich weiß es besser und mache es trotzdem. Da haben wir es wieder.

Eigentlich ist mein Leben gerade mehr kalter Kaffee, als warmes Bier. Gerade sogar kalter Kaffee mit Fliegenschiss. Ständig krabbelt das blöde Vieh in meine Tasse und ich bin mir sicher, sie hat bereits reingekackt. Ja, so sehe ich das Leben zur Zeit. Wie eine halbvolle Tasse mit kaltem Kaffee und Fliegenscheiße.

So ein Fliegenleben ist doch gar nicht mal so ein schlechtes Leben. Als Fliege könnte ich fliegen. Alleine die Fähigkeit wäre es schon wert. Als Fliege fliegst du den ganzen Tag herum, krabbelst so vor dich hin, mit Vorliebe kopfüber an der Zimmerdecke, rüsselst alles an, scheißt auf alles und den Weltfrieden und empfindest Hundekot als wohlriechend. Klar, kann so ein Fliegenleben auch schnell zu Ende sein, aber ich denke das ist dem Fliegenhirn gar nicht bewusst. Dumm, aber glücklich. Bestenfalls landest du als Fliege bei jemandem wie mir, bei dem Menschen zwar derzeit keinen hohen Stellenwert haben, Tiere dafür aber umso mehr. Da darfst du dann ungestraft auf und in alles scheißen, alles abrüsseln und wirst, nachdem du dir alles in Ruhe angesehen hast, gefangen und in die Freiheit entlassen. Dumm, aber glücklich. Eine Kombination, die auch vielen Menschen eigen ist, was ich manchmal verabscheue, aber meistens beneide.

Wissen ist nämlich nicht immer Macht. Wissen führt viel öfter zu Ohnmacht, weil es einem die Fähigkeit verleiht hinter die Dinge zu sehen und das, was es hinter den Dingen zu sehen gibt, ist beängstigend. Wenn ich als Kind im Fernsehen mal etwas gesehen habe, das mich verängstigt hat, war die Aussage, dass alles nur ein Film sei und nie wirklich passiert, immer ausgesprochen tröstlich und hilfreich. Heute weiß ich, dass die Grausamkeiten aus Filmen an die Realität oftmals gar nicht herankommt, weil diese noch weitaus grausamer und unvorstellbarer ist. Meine Kindheit war ein Teil davon, aber damit möchte ich mich hier für nichts entschuldigen. Menschen, die ihre Kindheit als glücklich bezeichnen, sind entsetzt, wenn ich aus meiner Kinderzeit berichte. Dagegen habe ich schon von Kindheitserinnerungen gehört, die meine Kindheit wie eine Eis am Stiel erscheinen lassen. Es ist also alles relativ.

Machmal wäre ich auch gerne einer von denen, die sich an in minderwertigen Fernsehsendungen zu Schau gestellten Menschen mit unterirdischem Bildungsgrad ergötzen, während sie a) gar nicht merken, was auf der Welt wirklich geschieht und b) nicht merken, dass sie noch einen Deut dümmer sind, als die Personen im Fernsehen, weil die mit ihrer Dummheit wenigstens noch etwas erleben und obendrauf noch ein wenig Geld verdienen. Dummheit kann einen wirklich einschränken, aber in der heutigen Welt macht Dummheit eher frei. Dummheit macht frei von Verantwortung und Schuldgefühlen. Natürlich ist auch ein dummer Mensch nicht frei von Schuld und Verantwortung, aber meist ausreichend dumm, um nicht zu merken, dass er Schuld trägt und Verantwortung hat.

Verdammt blöd, dass die Seele auf Weiterentwicklung gepolt ist. Somit ist auf ein zukünftiges Leben als bildungsresistenter Bürger nicht zu hoffen. Auf ein Leben als Fliege erst recht nicht. Schade, wo ich gerade so eine Lust verspüre, auf Euer Essen zu kacken. Bleibt nur noch die Hoffnung auf ein Leben als Superheld.

Bis dahin – Arschlecken! Den Stinkefinger müsst Ihr Euch jetzt einfach denken.