Schlagwort: absurde Wortgeflechte

Vom Suchen, Finden und Loslassen

So viel Geduld und so viele Bananen. Trotzdem kein Affe. Das mit der Stellenausschreibung brachte ich nicht über mich. Einen wilden Affen kann man nicht so einfach gegen einen anderen wilden Affen ersetzen. Das weiß jeder, dem mal sein wilder Affe abhanden gekommen ist. Also habe ich Bananen in meinen Rucksack gepackt, meine Wanderschuhe angezogen und mich aufgemacht, den wilden Affen zu suchen.

Zuerst bin ich nach Frankreich geflogen. Dort begann ich zu laufen. Ich lief über die Pyrenäen bis nach Spanien, folgte gelben Pfeilen, bewunderte die wunderschöne Natur, traf Schmetterlinge, Eidechsen, Adler, Wildpferde und Schafe, aber keinen Affen. Ich fragte die Schmetterlinge, Eidechsen, Adler, Wildpferde und Schafe, ob sie vielleicht einen wilden Affen gesehen hätten, einen total verrückten Typen, eine Spaßkanone sondergleichen, kaum zu übersehen und auch nicht zu verwechseln. Sie verneinten und sagten, sie sähen Tag ein Tag aus nur Menschen wie mich, mit Rucksack und Wanderschuhen, die auf der Suche nach wilden Affen und ähnlichem Getier seien, aber wilde Affen selbst hätten sie noch nie gesehen.

Ich lief weiter und durchquerte ganz Spanien zu Fuß. Dabei traf ich weitere Schmetterlinge, unzählige Heuschrecken, freche Fliegen, Schnecken und einen Esel, der mir die Zähne zeigte, als ich ihn nach dem Affen fragte. Außerdem traf ich viele andere Menschen mit Rucksack und Wanderschuhen. Manche von ihnen waren laut, andere waren leise. Einer von ihnen war beides. Den behielt ich.

Nach über dreißig Tagen, neunhundert Kilometern, zahlreichen Orten, Betten und Stempeln, sowie mürrischen Füßen, viel Bier und Bananen, erreichte ich das Ende der Welt. Dreimal dürft ihr raten. Auch dort kein wilder Affe. Stattdessen traf ich eine zeitlose Schildkröte.

Die zeitlose Schildkröte war ganz anders als der wilde Affe, aber schien dennoch gut zu mir zu passen. Als meine Reise und somit auch unsere gemeinsame Zeitlosigkeit dem Ende zuging, fragte ich sie, ob sie vielleicht Interesse an der Stelle des wilden Affen hätte. Die Schildkröte sagte, sie habe die nächsten hundert Jahre noch nichts vor und willigte ein. Natürlich war sie nicht auf den Panzer gefallen und handelte erstmal einen ordentlichen Salatzuschlag aus.

Obwohl ich mich auf zu Hause freute, weinte ich ein wenig als wir zum Bus gingen. Die Schildkröte war in Reiselaune und sah entspannt ihrer ersten Erfahrung mit öffentlichen Verkehrsmitteln entgegen. Sie setzte sich auf den Fensterplatz und knabberte unbekümmert an ihrem ersten Salatvorschuß, während der Bus sich langsam in Bewegung setzte.

»Sei nicht traurig. Du kommst wieder. Das tun alle irgendwann.«, sagte sie mit vollem Mund, während sie aus dem Fenster schaute, »Einmal Muschelsucher, immer Muschelsucher!«

Ich wusste, sie würde Recht behalten.

Ene, mene, miste, es rappelt in der Kiste

„SCHREIB!“, schreit es in mir. – „WAS?“, schreie ich zurück. Natürlich schreie ich das nur in mich hinein, um niemandem die Chance zu geben mit fragendem Blick an meiner montagsgewählten Unsichtbarkeit zu kratzen. Dass die Wörter Montag und müde den selben Anfangsbuchstaben haben kann kein Zufall sein.

„SCHREIB!“, schreit es wieder, aber ich ignoriere es und lasse mich stattdessen dazu anstiften einer Bärenhandpuppe, möglicherweise ist es auch ein Hund, aber was spielt das schon für eine Rolle, mit blondierten Haaren und französischem Namen das Fell über die Ohren zu ziehen, wobei es das nicht ganz trifft, denn nebst Beinen und Augen gucken auch die Ohren noch aus seinem umgekrempelten Rumpf heraus und es sieht ein wenig so aus, als sei er sich selbst in den Arsch gekrochen.

Sich selbst in der Arsch kriechen können – dieser Gedanke lässt Bilder in meinem Kopf entstehen. Das wäre dann gewissermaßen die neue Vogelstraußtechnik – statt Kopf in den Sand, Kopf in der Arsch. Das sieht vielleicht seltsam aus, ist aber viel praktischer, weil man Sand nämlich erstmal finden muss, wogegen man ein Hinterteil immer dabei hat. Außerdem ist man auf diese Weise wesentlich flexibler, wenn man auch nicht mehr sieht, wo man hinläuft. Also mehr zu empfehlen für die eigene Wohnung oder weitläufige Grünanlagen und nicht für vielbefahrene Straßen oder Bahnhöfe. Vielleicht nicht optimal, aber zumindest bekämen die Redewendungen in sich gehen und aus sich heraus kommen eine vollkommen neue Bedeutung.

„Irgendwie dachte ich mehr an etwas … na wie soll ich sagen … mehr an etwas … Feinsinninges. Ja genau, an etwas Feinsinniges, wie zum Beispiel ein Gedicht. Ein Liebesgedicht.“, quatscht es auf einmal von innen, aber ich höre nicht wirklich zu, weil ich damit beschäftigt bin unschuldig zu gucken, damit die soeben entdeckte Schändung des Stoffbären nicht mit mir in Verbindung gebracht wird.

„Jetzt schreib doch mal was Sinnvolles!“, klingt es vorwurfsvoll hinter meiner Stirn und während der Bärenhund wieder von links auf rechts gedreht wird, denke ich darüber nach, mal kurz in mich zu gehen und nach dem Rechten zu sehen, lasse es dann aber doch bleiben, weil ich genau weiß, dass es mir dann niemals wieder gelingen wird, mich unsichtbar zu machen.

Noch fünf Minuten bis zum Feierabend.

Oi oi oi

Die letzten zwei Tage war es richtig ungemütlich draußen, wenn ich um halbsechs das Haus verließ, um mich auf meinen Weg zu Arbeit zu machen. Nass, kalt, neblig und dunkel. Usselig eben.

Usselig sagt man übrigens da, wo ich arbeite. Interessanterweise habe ich diesen Begriff schon genutzt, als ich noch nicht da gearbeitet habe, wo ich jetzt arbeite. Im Rheinland habe ich allerdings mal gewohnt und da sagt man das wohl auch, was mir das Szenesprachenwiki jedenfalls eben verklickert hat und was somit dieses Wort in meinem Sprachgebrauch erklären könnte, wobei ich fast sicher bin, dass ich es schon benutzt habe, als ich noch da gewohnt habe, wo ich herkomme. Verklickern kennt das Szenesprachenwiki übrigens nicht, was ich seltsam finde und schlägt mir als ähnliche Wörter verchillen, verwackelt, vorglühen und vergewohltätigen vor, was ich noch seltsamer finde.

Da gibt es aber noch ganz andere Sachen, die ich hier gerade so entdecke und während ich sie so entdecke, komme ich mir verdammt alt vor und sehe noch meine Mutter vor mir, die mir gewissermaßen untersagte, das Wort total zu benutzen, weil es überhaupt kein richtiges Wort sei, ihrer Meinung nach. Damals war ich irgendwas zwischen sieben und elf. Genauer weiß ich es leider nicht mehr, was der Sache jetzt aber auch keinen Abbruch tut. Schon interessant, wie sich die Sprache so verändert – interessant und erschreckend.

Noch interessanter und erschreckender finde ich allerdings wie sich die Sichtweise mit zunehmendem Alter verändert. Natürlich habe ich das Wort total damals nicht aus meinem Sprachgebrauch gestrichen, weil ich es in jedem zweiten Satz total gut gebrauchen konnte. Wenn ich jetzt Wörter wie krass oder chillen höre, stellen sich mir die Nackenhaare hoch und ich höre mich im Geiste reden, wie meine Mutter. DAS SIND DOCH KEINE RICHTIGEN WÖRTER, VERDAMMTE SCHEIßE! Verdammte Scheiße hat meine Mutter damals natürlich nicht gesagt, was auch irgendwie komisch gewesen wäre – das Wort total total doof finden, aber verdammte Scheiße sagen.

Nichtsdestotrotz ertappe ich mich hin und wieder dabei, selbst eines dieser neusprachigen Wörter zu erbrechen. Das ist dann erst richtig erschreckend und so absolut überhaupt gar nicht mehr interessant, sondern einfach nur noch furchtbar peinlich. Passiert aber trotzdem immer wieder. Kann ich quasi gar nichts gegen tun. Stirbt ja jetzt auch keiner von, abgesehen von dem ein oder anderen Geschmacksnerv, wenn ich mir vor Schreck und Scham auf die Zunge beiße.

Schreck und Scham … klingt wie eine Ladenkette. Diesen Gedanken werde ich jetzt aber nicht weiter verfolgen, wenn es auch noch so verlockend ist, einen Bogen von der heutigen Sprache zur heutigen Mode zu ziehen. Auch diesbezüglich fühle ich mich manchmal verdammt alt und auch diesbezüglich findet sich ein Beispiel aus meiner Jugend und auch diesbezüglich hat sich die Sichtweise verschoben und auch diesbezüglich endet es manchmal peinlich. Deswegen komme ich jetzt auch einfach mal zum Punkt, beziehungsweise zu dem, was ich eigentlich erzählen wollte.

Die letzten zwei Tage war es richtig ungemütlich draußen, wenn ich um halbsechs das Haus verließ, um mich auf meinen Weg zu Arbeit zu machen. Nass, kalt, neblig und dunkel. Usselig eben. So usselig, dass ich im Traum nicht darauf gekommen wäre, mich im Laufe des Vormittags an strahlendem Sonnenschein, blauem Himmel und herbstlicher Wärme erfreuen zu können. Kommt eben verdammt oft anders als man denkt. Punkt.

Total krass übrigens, wie man so vom eigentlichen Thema abkommen kann!