Haltlos (6)

Da ist mein Verstand erst
mit seinen ungeschickten Füßen
über Dein wunderschönes Lächeln gestolpert,
um dann, bei dem ersten Blick in Deine Augen,
völlig sein Gleichgewicht zu verlieren.
Und jetzt droht er, in der Erinnerung an Dich zu ertrinken,
während ich mich nicht entscheiden kann,
ob ich es zulasse oder versuche ihn zu retten.

15. September 2010

© Antje Münch-Lieblang

Ver-rückt (4)

Kakoschke lebt, leidet und liebt so vor sich hin. Letzteres gerade besonders. Kennt ihr das, wenn der Solarplexus sich so dermaßen zu Wort meldet, dass es einem die Sprache verschlägt, geschweige denn man einen klaren Gedanken fassen kann, weil einem vor lauter Schmerz die Luft weg bleibt? Dieses Sehnen, dieses Verlangen, dieses innere Feuer – daran möchte ich gerade elend zu Grunde gehen. Schon oft habe ich es gespürt… seit… – und dennoch konnte mich dieses Gefühl nie aus dem Gefängnis meiner Erinnerungen befreien. Dieses Mal könnte es anders sein und trotz aller Glücksseligkeit erfüllt mich dieser Gedanke mit Angst, weil ich nicht weiß, wo mich das hinführt. Diese Augen, dieses Lächeln, dieser Körper. Ich werde wahnsinnig. Und sie passt zu mir, als habe der liebe Gott sie eigens für mich erschaffen.

Tagesgedanken

Wenn ich mich mit dem Fahrrad zur Arbeit bewege, fahre ich immer an der Realschule vorbei. Heute hörte ich das Trillerpfeifengepfeife und Vuvuzelagetröte schon aus weiter Ferne. Nachdem an der Schule, an der ich zur Zeit arbeite, die Abiturienten am Mittwoch die Sau rauslassen durften, dürfen es heute die Zehnerklassen der Realschule und feiern feuchtfröhlich ihren Absch(l)uss. Mit feuchtfröhlich sind natürlich nicht nur die Wasserpistolen gemeint.

Ich bin auch zur Realschule gegangen. Mein Abschluss war 1994. Wahnsinn, sechzehn Jahre ist das jetzt her. Ich kann mich noch relativ gut daran erinnern. Wir haben die Schule in eine Art Tempel verwandelt und unseren damaligen Direktor zum Oberguru erklärt, auf einen Thron gesetzt und mit Fächern bewedelt. Nachdem wir die Schule ordentlich auf den Kopf gestellt hatten, die gesammelte Lehrer- und Schülerschaft ausreichend unter uns gelitten hatte, wurden die Feierlichkeiten traditionell auf der örtlichen Schlossruine weiter geführt, um da irgendwann rotzevoll auf der Wiese zu liegen oder mit dem Kopf in irgendeinem Gebüsch zu enden.

Wir fühlten uns ganz furchtbar erwachsen. Wenn ich mir heute die Schüler ansehe, die damals wir waren, merke ich, wie weit wir damals noch vom Erwachsenwerden entfernt waren und damit genau richtig lagen, auch wenn wir es nicht wussten. Wir haben das Leben problemlos auf die leichte Schulter genommen, machten uns alles einfach und sahen die Welt zu unseren Füßen liegen. Ehrlich gesagt, bin ich auch heute noch weit weg vom Erwachsenwerden, aber der Ernst des Lebens erinnert mich manchmal relativ unsanft daran, dass es nicht immer nur geradeaus geht wie früher, als man noch dachte, Lebensmittel wachsen im Kühlschrank der Eltern.