Kategorie: Rocko spinnt

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Alles neu macht der Mai, auch wenn wir gerade erst Ende April haben. Neue Aufmachung, neuer Inhalt und zwei Deppen mehr, die hier ihr Unwesen treiben – Karl und Rocko. Ich bin übrigens Rocko. Ein guter Einstieg wäre auch gewesen: Alles neu macht der Mai, wir sind jetzt 3.

Tusch!

(Karl meinte kürzlich, ich solle das mit dem ständigen Tusch lassen, das sei blöd, aber Karl kann mich mal. Karl, Du kannst mich mal!)

Jetzt wollt Ihr sicher eine Erklärung, wie wir zwei Idioten hier gelandet sind. Das ist schnell erzählt. Antje und ich kennen uns schon gute zehn Jahre und sind sowas wie Freunde, könnte man sagen. Ja, doch… wir sind Freunde. Und vor gar nicht allzu langer Zeit kam uns beiden die Schnapsidee, im wahrsten Sinne des Wortes, zumindest was mich betrifft, unsere literarischen Ausfallerscheinungen einfach zusammenzulegen und die Welt damit zu bereichern.
Karl hat gesagt, wir sollen mal machen, es könne nicht schaden, und so haben wir es einfach gemacht. Außerdem haut das mit diesem Yin-Yang-Ding zwischen Karl und mir nicht so wirklich hin. So sehr Yang, wie der ist, so viel Yin bin ich nun auch wieder nicht. Ich glaube, mit Antje könnte das besser klappen.
Natürlich wird Karl weiterhin gelegentlich seine amüsanten Erzählungen aus unserer gemeinsamen Sturm- und Drangzeit einbringen, wenn ihm danach ist. Schließlich verbringen wir schon fast unser ganzes Leben miteinander, da war viel Sturm und Drang, und außerdem ist er mein bester Freund. Wir bilden hier jetzt quasi die literarische Dreifaltigkeit. In Ewigkeit, Amen.

Viel Sinnvolles haben wir ja auch alle gerade nicht zu tun, jetzt wo die Welt sich mal kurz geschüttelt hat, wie eine ausgewachsene, nasse Bordeauxdogge, die Menschheit direkt vollkommen aus dem Gleichgewicht geraten ist und nun nicht über die Schockstarre hinauskommt.
Karl ist Lehrer, Antje arbeitet auch irgendwas in einer Schule und ich bin ich, der personifizierte Charme, Überlebenskünstler und Nervensäge. In dem Job hat man quasi immer was zu tun, wenn man möchte, kann aber auch einfach die Füße hochlegen, wenn einem danach ist. Ok, nebenbei arbeite ich auch an einer Schule, aber ich bin nicht der Hausmeister, auch wenn Ihr das alle denkt. Karl kümmert sich natürlich gerade auch außerhalb des Bildungsknastes um seine zahlreichen Schäfchen. Eigentlich tut er das rund um die Uhr, aber das war schon immer so. Er ist eben Lehrer mit Leib und Seele und gibt auch das verlorenste Schaaf seiner Herde niemals auf – mich.

Auf Antjes Wunsch ist übrigens der eine oder andere meiner älteren Beiträge passwortgeschützt, damit Ihr hier auch lesen könnt, ohne dass Ihr gleich rot werdet und Eure Körpertemperatur steigt. Das mindert natürlich meine Chancen auf Liebesbriefe und Nacktfotos, aber ich bringe dieses Opfer gerne, wenn es zum Gelingen dieser Fusion beiträgt. Zack, und schon fühle ich mich ein bißchen mehr Yang in meinem ganzen Yin.

So, das war mein Wort zum Sonntag, auch wenn heute schon wieder Montag ist. Zeit ist momentan sowieso relativer, als sie es ohnehin schon ist. Was interessieren da schon Wochentage. Solltet Ihr also noch irgendwelche Fragen haben, geht Antje damit auf die Nerven. Die wollte das so. Mich dürft Ihr nur lesen und lieben, wo wir wieder bei den Nacktfotos wären. Außerdem sorge ich für die gute Stimmung, alkoholische Getränke und eine gesunde Portion »Leck mich am Arsch!«. Das muss reichen.

Und jetzt trinke ich auf uns! Vielleicht auch auf Euch, wenn Ihr schön brav seid. Prösterchen!

Irgendwo im Nirgendwo (3455)

Ich war dann mal weg, für ein paar Tage. Die Gedanken sortieren, das Herz in Kurzzeitpflege geben und dem geschriebenen Wort somit Zeit und Raum. Das unausgesprochene Wort der letzten neun Jahre forderte vehement sein Recht ein, aber das gesprochene Wort und ich hatten kürzlich so unsere Differenzen.

Nach dreißig handgeschriebenen Seiten am Stück, Fehlversuche nicht mitgezählt, erwartete ich zu meiner Seelenscheidenentzündung fast noch eine Sehnenscheidenentzündung, blieb aber davon verschont.

Gegen den Orkan, der nun in meinem Inneren tobt, kommt mir jedes Sturmtief der letzten Wochen vor, wie eine laue Frühlingsbrise.

Ich wünschte, ich könnte die Ausrede geltend machen, nichts dafür zu können, weil ich mir das alles nicht ausgesucht habe. Doch das kann ich nicht. Und jetzt marodiert meine übergroße Liebe rücksichtslos durch die Leben von uns allen.

Liebe sollte einfacher sein.

Gefühlsamok #5: Dieses verirrte Herz (3432)

»Und, bereust du es schon?«, Lebowski lehnt mit verschränkten Armen neben mir an der Wand und beäugt mich von der Seite, während ich meiner Frau aus dem Schlafzimmerfenster dabei zuschaue, wie sie im Garten irgendein Zwiebelgewächs in Töpfe pflanzt. Dabei redet sie mit der Nachbarkatze, die neben ihr in den alten Weinkisten herumturnt.

»Was meinst du, Karl?«, frage ich ihn, sehe ihn dabei aber nicht an, weil ich genau weiß, was er meint und er weiß, dass ich es weiß. Doch weil er mein bester Freund ist, spielt er das Spiel mit:
»Dass du dich nach über acht Jahren dazu entschlossen hast, sie wieder zu öffnen, deine persönliche Büchse der Pandora. Dass du ihn nach all den Jahren wieder frei gelassen hast, deinen rosafarbenen Flaschengeist.«

Das mit der Büchse der Pandora gefällt mir nicht. Es ist nichts Schlechtes an alldem. Wobei, die Geschichte mit der Hoffnung, die angeblich beim zweiten Öffnen entweicht, passt ja dann doch wieder irgendwie. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob Lebowski daran gedacht hat. Möglicherweise hat er es aber auch genau deswegen gesagt. Ich könnte ihn danach fragen, aber bin gedanklich schon beim rosafarbenen Flaschengeist. Das passt. Ich muss an die Bezaubernde Jeannie denken und unweigerlich lächeln.

»Bereust du es?«, Lebowski lässt nicht locker. »Rocko?«

Meine Frau sieht mich am Dachfenster und schüttelt den Kopf. Ich frage mich, ob sie das wegen mir und alldem oder wegen der Katze tut, die mittlerweile auf der obersten Kiste zwischen der sorgsam drapierten Dekoration thront und gähnt.

»Du willst es unbedingt von mir hören oder?«, ich schaue Lebowski an und sehe meinen Schmerz gespiegelt in seinen Augen. Das abgestorbene Lächeln trudelt schon längst dem Fußboden entgegen, wie der inhaltlose und vertrocknete Chitinpanzer eines toten Insekts.

»Nein, mein Freund«, sage ich leise, »ich bereue es nicht. Nicht eine Sekunde.«

Und während ich das sage, beschleicht mich das ungute Gefühl, dass ich es vielleicht irgendwann bereuen werde, auch wenn ich vom Bereuen grundsätzlich nichts halte.

Lebowski stellt sich hinter mich und legt seine Hände auf meine Schultern, wie es ein Vater vermutlich bei seinem Sohn tun würde. Ich finde es seltsam, aber lasse es zu, weil es sich gut anfühlt und weil er mein Freund ist, der nicht nur da ist, wenn es Bier gibt, sondern auch, wenn sich mein Innerstes anfühlt, wie ein Flächenbrand auf dem australischen Kontinent.

»Du hast gesagt, dass alles gut wird, Karl. Ich vertraue dir. Und ich weiß sehr wohl, dass das nicht zwingend bedeutet, dass alles so wird, wie ich es mir vorstelle. Vielleicht werde ich sie nun endgültig verlieren. Vielleicht verliere ich sogar beide. Aber, ich werde nie wieder mich selbst verlieren. Egal was kommt, ich werde es hinkriegen. Ich bin wie die Katze da«, sage ich weitaus entschlossener, als es sich anfühlt und deute mit einer leichten Kopfbewegung Richtung Garten, »ich falle immer wieder auf die Pfoten.«

»Falls du dir die Pfoten brichst oder gar den Hals, ich bin da.«, Lebowski klopft mir aufmunternd auf die linke Schulter, bevor er wortlos den Raum verlässt und kurze Zeit später wohl auch das Haus. Dafür, dass er so ein ausgewachsener Kerl ist, tut er das überraschend leise. Im Nachhinein kann ich mich nicht daran erinnern, weder seine Schritte auf der sonst so laut knarzenden Holztreppe wahrgenommen zu haben, noch die zufallende Haustür.

In der Küche steht immer noch das Frühstück auf dem Tisch und sieht mittlerweile aus, wie ich mich fühle, ziemlich beschissen. Ich habe sowieso keinen Appetit, obwohl der Vormittag schon lange hinter mir liegt. Zwischendurch vergesse ich einfach zu atmen und muss mich daran erinnern. Und wenn ich atme, fühlt es sich an, als bekomme ich trotzdem keine Luft, weil da neben dem ganzen Gefühl kein Platz mehr zu sein scheint.

Ich möchte mir das Herz aus der Brust reißen, weil ich mir vorstelle, dass der Schmerz, den so eine große und klaffenden Wunde verursacht, weitaus erträglicher sein muss, als der Schmerz, mit dem mich mein Herz gerade quält.
Dann fällt mir wieder ein, was Lebowski gesagt hat, kurz bevor er sich regelrecht in Luft auflöste. Den Hals werde ich mir wohl nicht brechen, aber vermutlich das Herz, denke ich, und dann wird mir plötzlich klar, dass er wohl genau das gemeint hat.

Dieses verirrte Herz, groß und schwer, wie ein gestrandeter Pottwal an der Küste ihrer Seele.