Autor: Antje

Vertrauen

I.

Millionen Hände
können mich nicht berühren,
wie Du es kannst –
mit einem einzigen Wort.

Millionen Lippen
können mich nicht berauschen,
wie Du es kannst –
mit einem einzigen Kuss.

Millionen Berührungen
können meine Seele nicht streicheln,
wie Du es kannst –
mit einem einzigen Blick.

II.

Mein Herz ruht
in Deinen Händen,
wie ein Vogeljunges
in seinem Nest.

Nähre es mit Deinen Worten,
Küssen und Blicken
und sorge Dich nicht,
wenn es zu fliegen beginnt.

Durch Deine Liebe
gewachsen und beflügelt,
wird es immer wissen,
wo es hingehört.

23. Juli 2011 // © Antje Münch-Lieblang

„Evamaria – Du kannst aber auch Evi sagen“

Ich war sieben oder acht, als ich sie kennen lernte. Evi wohnte damals, zusammen mit ihrer Mutter, direkt neben meiner besten Freundin, die heute meine Schwester ist, aber das ist eine andere Geschichte. Bevor ich Evi kennen lernte, lernte ich allerdings erstmal Evis Nichte kennen, die aus Lüneburg kam und zu Besuch bei ihrer Tante war.

Ich weiß nicht mehr, welche Jahreszeit wir damals hatten, aber es war sonnig und warm und wir verbrachten den ganzen Tag im Garten, spielten Verstecken und was man in diesem Alter eben sonst so spielt. Am späten Nachmittag kam Evi, stellte sich mir als „Evamaria – Du kannst aber auch Evi sagen“ vor und spielte mit uns Fangen. Sie muss damals schon Mitte oder Ende Vierzig gewesen sein und ich war fasziniert von ihr. Eine erwachsene Frau, die sich auf die Ebene eines Kindes begeben konnte – das kannte ich bis dato nicht.

Nach diesem Nachmittag besuchte ich Evi auch weiterhin. So begann unsere Freundschaft und es war eine Freundschaft, trotz dieses großen Altersunterschiedes. Vielleicht lag es daran, dass ich schon in jungen Jahren viel gesehen hatte und ihr dagegen immer noch eine gewisse kindliche Unbeschwertheit anhaftete. Wir trafen uns irgendwo auf der Mitte. Evi nahm mich ernst, behandelte mich nicht wie ein Kind, vergaß dabei aber auch nicht, dass ich eines war. Sie ließ mich einfach sein und unterstütze mich beim Werden.

Ich grub ihren Garten um, half ihr beim Tapezieren und sie zeigte mir, wie man richtig schwarzen Tee trinkt und wie man richtig den Tisch deckt – „der Teelöffel kommt rechts neben die Tasse auf den Unterteller“. Sie war immer für mich da und das änderte sich auch nicht, als ich älter wurde. In ihrem Wohnzimmer klangen viele meiner Partynächte aus. Kam ich nachts aus der Stadt und sah bei ihr noch Licht, musste ich keine Scheu haben zu klingeln. Wir philosophierten über das Leben und niemand kannte und verstand die Geschichte um meine erste große Liebe so wie sie – all die Jahre. Niemand konnte so faszinierend aus dem Leben erzählen, wie sie.

Sie war es, die mir zu meinem achtzehnten Geburtstag ein Gedicht schrieb und es vor allen Gästen vortrug. Sie war es, die mir kurz nach Erhalt meines Führerscheins ihren Scirocco lieh und mir nicht den Kopf abriss, als ich ihn verbeult wieder brachte. Sie war es, die mit mir eine Reise nach Dresden, Berlin und Potsdam machte und vertrauensvoll neben mir auf dem Beifahrersitz schlief, obwohl ich den Scirocco verbeult hatte. Sie war es, die mich in meinem kleinen Einzimmerappartement in Köln besuchte und sich von mir ein Wochenende mein neues Leben zeigen ließ.

Sie war es, die den Löwenanteil dazu beigetragen hat, dass ich der Mensch werden durfte, der ich jetzt bin. Bei ihr kamen meine Finger zum ersten mal in Berührung mit einem Klavier und mein Geist mit den wesentlichen Dingen des Lebens. Lyrik, Literatur, Musik und Bedingungslosigkeit. Nur für Politik konnte sie mich nie begeistern, wenn sie es auch immer wieder versuchte. Dafür begeisterte sie mich umso mehr für halbtrockenen Sherry, den ich auch heute noch sehr gerne trinke. Oft denke ich dabei an Evi und an die vielen Nächte, die wir uns mit Gott, der Welt und Herrn Sandeman um die Ohren geschlagen haben.

Durch mein Leben in Köln wurde der Kontakt weniger, brach sogar fast gänzlich ab, und als ich vor bald drei Jahren wieder zurück nach Arnsberg kam, stand Evi kurz davor in eine Seniorenresidenz nach Lüneburg zu ziehen. Ich schob den Abschied ewig vor mir her, weil ich mich nicht mit der Tatsache auseinander setzen wollte, dass sie nun nicht mehr da sein würde, so wie sie es immer war und dass ich nie wieder mitten in der Nacht bei ihr würde klingeln können. Zwei Tage vor ihrem Umzug besuchte ich sie.

Der Abschied war kurz. Ich wollte ihr so viel sagen, aber mein Mund konnte die Worte nicht frei geben. Evi gab mir ihre neue Adresse und ich versprach ihr zu schreiben, aber habe es bis heute nicht getan. Heute werde ich es tun und ihr sagen, dass ich jedes Mal, aber auch wirklich jedes Mal beim Decken eines Kaffeetisches an sie denken muss – sobald ich den ersten Teelöffel rechts neben die Tasse auf den Unterteller lege.

© Antje Münch-Lieblang

In großen und in kleinen Schritten

Zeit zu resümieren. Das Jahr geht langsam seinem Ende zu… und das ist auch gut so. Es hat nämlich mittlerweile etwas von gährender Marmelade. Und obwohl ich ganz besonders die letzten drei Monate nicht missen möchte, bin ich doch froh, wenn ich übernächsten Freitag irgendjemanden höre, der um kurz vor zwölf anfängt, von zehn an herunterzuzählen.

Es ist unglaublich viel passiert in diesem Jahr. Dinge, an die ich mich immer erinnern werde, Dinge, die ich lieber vergessen möchte, aber wie immer, hatte alles schon so seinen Sinn. Manchmal braucht man eben, um diesen zu erkennen. Und manchmal braucht es, im wahrsten Sinne des Wortes, nur einen einzigen Augenblick und in sekundenschnelle setzt sich ein Sinnpuzzle aus unzähligen Teilen explosionsartig zusammen und es ergibt sich ein Bild… sich dieses Bild einzurahmen und aufzuhängen bleibt jedem selbst überlassen. Ich für meinen Teil finde hinter Glas gefasste Puzzle an den Wänden ja eher grenzwertig. Das ist so ähnlich, wie mit Vorhängen vor den Fenstern.

Kürzlich fragte mich ein lieber Mensch – auf meine Aussage hin, dass ich ständig Angst habe, ich könne etwas verpassen – ob ich denn schon mal etwas verpasst habe. Eine interessante Frage, deren damalige Antwort sich geändert hat, denn nach längerem Überlegen, kann ich beruhigt und ebenso überrascht sagen: Nein, im Grunde habe ich nichts verpasst! Es geschieht immer alles so, wie es geschehen soll… es ist gar nicht möglich, etwas zu verpassen. Das Leben gewinnt zwar manchmal an Tempo, wie ein ICE 3 – und auch wenn die Ausstattung nicht immer so komfortabel ist, an Pünktlichkeit ist es dagegen kaum zu überbieten. Und es ist so einfach, wenn man sich mal die Mühe gemacht hat, sich mit dem Fahrplan auseinander zu setzen.

Das Jahr 2010 war ein gutes Jahr, ein sehr gutes Jahr,… ein lehrreiches Jahr, ein erfahrungsreiches Jahr, ein schweres Jahr, ein turbulentes Jahr, ein kunterbuntes Jahr,… und unvergesslich rosa im Abgang. Ich freue mich auf das neue Jahr und bin gespannt, wen und was es so alles mit sich bringt. Schöne besinnliche Weihnachtstage wünsche ich Euch allen und rutscht bedächtig in die nächste Runde. Möge alles in Erfüllung gehen, was ihr Euch wünscht! Auf das individuelle Tempo kommt es an, nicht auf die Größe der Schritte…

Ich, Weihnachts- und Jahreswechselallergiker, der ich bin, nutze jetzt erstmal die Wetterverhältnisse, baue mir ein Iglu und halte Winterschlaf. Weckt mich, sollte ich die Maiglöckchen nicht läuten hören!