Hier sitze ich nun. Mitten auf einem grünen Fleckchen Erde zwischen zwei befahrenen Schnellstrassen im Schatten einer Eiche, irgendwo in Köln – Ehrenfeld, lasse mir die Sonne auf den Pelz scheinen, mich von allerlei Getier bekrabbeln und genieße das Leben, welches sich mir schon vor geraumer Zeit endlich offenbart hat.
Ich lebe und es ist unaussprechlich, da es nicht in Worte zu kleiden ist, was dieser Zustand mir zur Zeit bedeutet. Es ist, als könne nichts und niemand mir auf dieser Welt und in diesem Leben noch etwas anhaben, alles wäre ich allem und jedem überlegen – nichts ist unmöglich und die Welt ist mein.
Eigentlich habe ich mich zu diesem Örtchen begeben, um endlich die letzten Wochen und Monate schriftlich zu rekapitulieren und damit festzuhalten, wie es zu meinem derzeitigen Zustand gekommen ist. Doch scheinbar ist dieses hier doch nicht oder noch nicht der richtige Zeitpunkt, denn ich fühle mich müde und empfinde den Gedanken, mich auf dieser Decke auszubreiten und die Augen zu schließen, als weitaus attraktiver und verlockender.
Zu all meinen bisherigen Lebensweisheiten ist in den letzten Wochen eine neue hinzugekommen und diese rangiert zur Zeit an oberster Stelle aller meiner Lebensweisheiten: Mache dir das Leben nicht unnötig schwer. Dieses werde ich auch jetzt nicht tun und somit den Stift zur Seite legen, das Buch schließen, mich auf der Decke ausbreiten, die Augen schließen und einfach nur sein. Letzteres in vollster Zufriedenheit.
Mit der vollsten Zufriedenheit ist es wohl doch wesentlich weiter her, als sich vermuten ließ. Kaum waren die Augen geschlossen, kam die Erinnerung an die Besorgung einer Flasche Wein, welche ich als Mitbringsel gedachte, da ich diesen Abend auf eine Party eingeladen bin. Da es eine Geburtstags – und Einweihungsfeier ist, halte ich ein kleines Mitbringsel doch von Nöten.
Die Ladenöffnungszeiten normaler Supermärkte liegen leider nicht mehr in diesem Teil des Tages, denn es ist bereits später Samstagnachmittag, quasi abends. Eine Flasche Wein am Kiosk ist mir zu kostspielig, einige Flaschen Kölsch, welche sich noch in meinem Besitz befinden, halte ich für kein sonderlich einfallsreiches Geschenk und der schmackhafte Toscanawein meiner Eltern, den ich mir vor einer Woche mit Augenaufschlag und Hundeblick, nicht gerade unter schweren Umständen, muss ich zugeben, erbettelt habe, stellt für mich zum jetzigen Zeitpunkt noch ein allzu großes Opfer dar. Ergo, das Leben in den ersten fünf Minuten vollster Zufriedenheit gestaltete sich doch schwerer, als es nötig sein sollte. Soviel zur Lebensweisheit Nummer Eins.
Der Boden unter meiner Decke entpuppte sich auch nicht gerade als Federkernmatratze, die Autos waren dann doch wesentlich lästiger, als ich vermutet hatte und die geliebten Tierchen, bei aller Liebe zu jeglicher Form, Spezies und Größenordnung, waren in ihren meist suizidösen Unternehmungen über meine Decke und mich ziemlich penetrant und störend.
Nun ja, in diesem Zustand vollster Zufriedenheit, rollte ich mich ungefähr fünfzehn bis zwanzig Minuten auf dem unebenen Untergrund hin und her und gab es dann letztendlich auf. Unterfangen gescheitert. Der Gedanke der Nahrungsaufnahme und die eben genannten Umstände konfrontieren mich nun mit dem baldigen Abzug von diesem traumhaften Örtchen.
Bis zum nächsten Ausflug in Kölns Grünlagen.
(Entstehungsjahr 2000)
© Antje Münch-Lieblang